Liebe Freunde,
 Einer der berühmtesten US-amerikanischen Richter in der Geschichte des 
Supreme Courts, Louis Brandeis, sagte einmal: “Wir müssen wählen. Wir 
können eine Demokratie haben, oder wir können eine Konzentration von 
Reichtümern in den Händen einiger Weniger haben, aber wir können nicht 
beides haben.“
 Wie es aussieht, haben wir bereits gewählt. Wir haben
 uns wohl entschieden, lethargisch diese Konzentration von Reichtümern 
in den Händen einiger Weniger hinzunehmen. Wir haben uns, wie es 
aussieht, entschieden, nichts dagegen zu unternehmen. Uns nicht zu 
wehren. Es über uns ergehen zu lassen. Und damit haben wir uns mehr oder
 weniger dazu entschlossen, unsere demokratischen Rechte nicht mehr wahr
 zu nehmen.
 Immer wieder werde ich gefragt, ob ich denn vielleicht 
nur neidisch sei auf die Superreichen, ob ich ihnen ihr hart 
erarbeitetes Geld nicht gönnen würde.
 Von mir aus kann jeder gerne 
Millionär sein und eine Villa haben und wenn es sein muss auch so ein 
nutzloses Fahrzeug wie einen Ferrari. Aber wenn sich der Reichtum in den
 Händen weniger so ballt, dass wir nur noch zu Statisten des 
Weltgeschehens werden, dann schwillt mir der Kamm. Und das ist kein 
Neid, Freunde, sondern Angst. Angst vor der Art Faschismus, die nicht in
 Braunhemden durch die Straßen marschiert, sondern sich hinter der Maske
 Demokratie verbirgt. Vor den Diktatoren der Wall Street, die mit einem 
Achselzucken die Wirtschaft eines Landes in den Ruin treiben können, 
Angst vor den faschistoiden Zockern, deren Rassismus bedenkenlos ein 
Drittel der Menschheit über die Klinge springen lässt, wenn sie 
irgendwann nicht mal mehr als RTL2 gehirngewaschene  Konsumenten taugen.
 Es ist nicht nur die Wut über soziale Ungerechtigkeiten, die mich 
zittern lässt, sondern die tief in mir sitzende Furcht unserer 
Demokratie verlustig zu werden.
 Die Familie Walton, der die 
Supermarktkette Walmart gehört, hat soviel Geld angehäuft, wie die 48 
800 000 ärmsten Familien der USA zusammen besitzen. 
 Selbst wenn man
 bedenkt, dass die amerikanische politische Kultur eher auf 
Chancengleichheit, als auf Ergebnisgleichheit beruht, muss jedem 
halbwegs empathischen Menschen bei diesen Zahlen die Zornesröte ins 
Gesicht steigen.
 Denn auch ein System, das auf Chancengleichheit 
beruht, ist doch nur so lange legitim, solange die Menschen glauben 
können, dass sie selbst und ihre Kinder gute Aussichten haben 
voranzukommen, wenn sie hart arbeiten und ihr Bestes geben, und wenn sie
 „gute Gründe haben, anzunehmen, dass die Reichen auf dem Weg zum 
Reichtum die Spielregeln eingehalten haben.“ Das ist kein linkes 
Pamphlet, das schrieb der extrem  konservative Intellektuelle Francis 
Fukuyama. 
 Haben sie die Spielregeln eingehalten? Hat der von der 
Boulevardpresse umworbene Milliardär Carsten Maschmeyer irgendwelche 
Spielregeln eingehalten? Und der ist beileibe nur pars pro toto.
 
"Keine Staatsform bietet ein Bild hässlicherer Entartung, als wenn die 
Wohlhabendsten auch für die Besten gehalten werden“ (Cicero, 106 – 43 v.
 Chr.)
 Wir sind an diesem Punkt hässlicher Entartung schon lange angelangt. Um das zu sehen, genügt ein Blick in unsere Medienwelt.
 Serge Hamili, Editorial Director der „Le Monde diplomatique“, schreibt 
in seinem unbedingt lesenswerten Essay „der wahre Skandal“:
 „Wahre 
Demokratie gibt sich eben nicht mit der Einhaltung der Form (wie freie 
und geheime Wahlen) zufrieden. Zur Demokratie gehört mehr als eine 
Stimmabgabe, die nichts verändert; zur Demokratie gehören auch 
Leidenschaft, politische Bildung, politische Kultur, das Recht, 
Rechenschaft zu verlangen, und das Recht, die Gewählten abzuberufen, 
wenn sie ihren Auftrag verraten.“
 Wir dürfen nicht aufgeben und uns 
nicht hinter Zynismus verschanzen. Wir müssen uns vernetzen und jede und
 jeder auf seine Art, nach seinen Möglichkeiten und Vermögen am Ball 
bleiben. Empören wir uns, denn was wir geboten bekommen ist mehr als 
empörend. Lassen wir uns nicht von einer sogenannten Elite das Fell über
 die Ohren ziehen, beschweren wir uns bei unseren örtlich greifbaren 
Politikern, lasst uns wieder auf die Straße gehen, gründen wir 
Initiativen und versuchen wir dieses kostbarste politische Gut, das wir 
im Laufe unserer blutigen Menschheitsgeschichte erringen konnten, für 
das unzählige vor uns ihr Leben lassen mussten, die Demokratie, uns 
wieder anzueignen. Denn sie gehört uns und nicht einer kleinen Gruppe 
von Menschen, die glauben, uns als dummes Stimmvieh im Griff zu haben.
 Ich bin dabei!
Konstantin Wecker
Das Problem der Deutschen in Deutschland: es geht ihnen immer noch zu gut.
 
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