Ich will mal darüber erzählen, wie es gerade ist seine Brötchen als Musiker zu verdienen. Dabei geht es mir nicht darum, wie talentiert oder gut man auf seinem Instrument ist, sondern viel mehr darum, wie man es schafft einzig und allein mit live-Musik sein Geld zu verdienen. Dazu gehört kein (Gitarren)Unterricht oder irgend ein anderer Job, um sich über Wasser zu halten, sondern einzig und allein Du, dein Instrument, das Publikum und natürlich derjenige, der dich bezahlt. In meinem Fall ist es das Publikum, von welchem ich mein Geld bekomme. Mal eine Frage vorneweg an die Musiker oder solche, die sich dafür halten:
Hat irgend jemand von euch genau das mal versucht?
Ich mache das schon seit fast dreißig Jahren, seit genau dem Zeitpunkt als ich aufhörte Gitarrenunterricht zu geben. Damals stellte ich mir die Frage: bin ich Gitarrenlehrer oder Musiker? Mein Haupteinkommen bestand hauptsächlich aus Unterricht und nicht aus live-Musik. Natürlich wird jetzt der eine oder andere sagen "Moment! Das Einkommen eines Musikers ist vielschichtig. Da gehört alles, was mit Musik hat mit dazu: Unterricht, Studioarbeit, Beschallung & Licht, Organisation, Management etc." Das ist sicherlich richtig und genau so läuft es für die meisten. Für mich jedoch nicht, denn egal welchen Job du machst, entscheidend ist wo das Haupteinkommen generiert wird. Genau das IST dein Leben und alles andere Nebensache. Entweder, oder. Du kannst nicht beides sein: Fisch und Fleisch, Fleischfresser und Veganer. So sehe ich es zumindest. Denn seien wir (Musiker) mal ganz ehrlich: wir leben davon live vor Publikum zu spielen. Wir brauchen das wie die Luft zum atmen. Wir brauchen die Reaktion, Interaktion, Anerkennung für das was wir mit Leidenschaft tun: Musik. Bekommt man dafür auch noch Geld, ist es genau das, was einen Profi von einem Amateur unterscheidet. Amateure spielen auch umsonst.
Es gab jedoch ein Problem: ich mochte die Musikindustrie nicht. Heute mag ich sie noch viel, viel weniger. Obwohl ich überhaupt keine Erfahrung damit hatte spürte ich instinktiv, dass ich damit nichts zu tun haben wollte. Mit Drogen ging es mir genauso. Bis heute bin ich clean. Nur im Unterschied zu damals, kann man heute als Profi auch ohne die Industrie überleben. Es ist zwar nicht leicht aber es geht. Dafür hat man andere Probleme. Und genau von denen will ich mal kurz berichten.
Die Corona-Maßnahmen haben bereits viele Existenzen vernichtet aber lasst euch eins sagen: für uns Profimusiker war es noch nie leicht und heute erst recht nicht. Vor allem nicht in Deutschland. Ich sage das, weil ich mal lange Zeit in Irland gelebt habe, wo Musik noch geschätzt wird. Nicht, dass Deutsche generell keine Musik mögen. Gerade jetzt in Corona-Zeiten dürsten die Leute geradezu nach guter Live-Musik und Unterhaltung, die ihnen aber verwehrt wird. Ihr habt es vielleicht mitbekommen, dass auch die Unterhaltungsbranche unter Corona leidet und viele Künstler die Maßnahmen und die damit verbundenen Einschränkungen beklagen. Das ist aber nicht der Kern des Problems. Das wahre Problem liegt in den Regelungen, der Geschäftspolitik, den Machenschaften der Musikbranche und der Medienstrukturen hierzulande. Nur mal ein Beispiel: als ich letzte Woche in einem Biergarten mit dem Betreiber sprach und ihm anbot dort für den Hut zu spielen, lehnte er dankend ab. Es täte ihm leid aber er könnte sich die GEMA-Gebühren für die 600qm, die der Biergarten hat nicht leisten. Ansonsten gerne. Das ist auch der Grund warum viele Musik-Kneipen, Discos und Nachtclubs schon lange vor Corona dicht machen mussten. GEMA ist eine Krake, die das Geld bei den Veranstaltern abgreift, um sie an die Musikindustrie, ihre Mitglieder und vor allem an sich selbst auszuzahlen. Warum das gerade in Deutschland sehr gut funktioniert liegt vor allem daran, dass der hiesige Musikmarkt immer noch international beherrscht wird. Schließlich muss das Geld irgendwie irgendwo herkommen und in Deutschland funktioniert das besonders gut, weil die Deutschen konnte man schon immer gut melken. So etwas wie GEMA gibt es in anderen Ländern auch nur sind diese nicht so raffgierig, weil dort die heimische Musik-Infrastruktur noch halbwegs intakt ist. Natürlich leidet die Musikbranche seit der Erfindung von mp3 und dem Download via Internet mächtig unter dem Einbruch der Verkaufszahlen von Tonträgern. Deshalb kostet heute ein Konzertticket ein halbes Vermögen und die GEMA Gebühren in Deutschland sind so hoch, dass viele Veranstalter es sich nicht mehr leisten können oder wollen. Dafür herrscht jetzt fast überall Grabesruhe: in keinem Geschäft, keinem Cafe oder Restaurant läuft Musik. Man hat sich schon fast daran gewöhnt.
Und dann komme ich: Ein Straßenmucker mit Anlage! Das ist VERBOTEN! Generell gilt: alle halbe Stunde den Standort wechseln und auf keinen Fall mit Verstärker. Wer sich nicht daran hält, bekommt Probleme mit dem Ordnungsamt. Ich halte mich nicht daran. Ich habe jeden Tag Probleme mit dem Ordnungsamt und Anwohnern, die entweder keine Ruhe haben, nicht arbeiten oder schlafen können oder denen einfach nur langweilig ist. Am schlimmsten sind die Denunzianten, denen einer abgeht, wenn sie sich mal beim Amt beschweren können und damit auch noch Erfolg haben. Die wachsen regelrecht über sich selbst hinaus. Ich stehe da also, irgendwo in der Fußgängerzone oder auf einem Marktplatz vor einer Eisdiele, einem Cafe oder Restaurant. Die Leute sitzen draußen, genießen das Wetter und die Musik als dann plötzlich so ein Ordnungsfuzzie auftaucht und meint ich müsste sofort aufhören. Es ist verboten und außerdem hätte sich jemand beschwert. Weil es nur einem oder einigen nicht passt, muss ich aufhören. Da ist es auch völlig Wurscht, dass es den meisten Leuten gefällt, die Betreiber von Cafes und Restaurants es gut finden und ich generell was gutes zum Stadtbild beitrage: es gibt Regeln und die müssen befolgt werden. Wir Straßenmucker sind also dazu verdammt irgendwo in der Ecke zu sitzen oder zu stehen, eine halbe Stunde vor uns hinzuklimmpern und uns dann unauffällig zu verpissen.
Man muss jedoch dazu sagen, dass der Grund warum solche Regeln überhaupt erst eingeführt wurden darin besteht, weil eine gewisse Fraktion aus den ehemaligen sozialistischen Sowietrepubliken seit Anfang der 1990er Jahre des vorangegangenen Jahrtausends bestehend aus Quetschkommoden- und Klarinettenspielern, Bläsern und sonstigem Balalaikakram, deutsche Fußgängerzonen jahrelang belagert und die Leute dort regelrecht terrorisiert haben. Ich habe das selbst erlebt und bin u.a. auch deshalb nach Irland abgehauen. Selbst dort war man nicht vor ihnen sicher.
Bleiben wir jedoch in der Gegenwart, denn nur die zählt für die Zukunft. Könnte ich überall spielen so wie es mir gefällt, müsste ich mir keine Sorgen machen. Stattdessen schlage ich mich mit Problemen rum, die überhaupt nichts mit Musik zu tun haben. Wie hat mal ein berühmter Musiker gesagt: "Ihr bezahlt mich doch nicht für die Musik. Die gibt es umsonst. Ihr bezahlt mich für den Scheiß drumherum."
Deutschland versinkt im Chaos. Alles geht langsam aber sicher den Bach runter. Die Verursacher schalten und walten wie es ihnen beliebt aber der Pöbel muss sich an die Regeln halten. Gestern habe ich folgendes zu einer Tussi vom Ordnungsamt gesagt: "Ihr gehört nicht nur abgewählt, sondern bekämpft!". Trotzdem mache ich weiter. Jetzt erst recht. Wollt ihr den totalen Rock & Roll? Sollt ihr haben!
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