Donnerstag, 3. Februar 2011

Musik: Die 90er = Jörg Fuhrmann ... der Resonatorman


Jörgs Weihnachtsgeschenk: Johnson Style O


Pre war 1932 National Style O vintage resonator guitar


Ich hatte schon davon erzählt, dass ich jahrelang nur Instrumentalmusik in deutschen Fußgängerzonen spielte. Dazu benutzte ich einen batteriebetriebenen Verstärker. Nun ist es in Deutschland generell verboten in Fußgängerzonen mit so einem Teil aufzutreten, sofern man keine Sondergenehmigung hat. Die wiederum bekommt man nur zu ganz bestimmten Anlässen. Der Grund dafür nennt sich Ruhestörung. Das war schon immer so, nur händelte jede Stadt das auf ihre Art und Weise. In manchen Städten wurde es geduldet, in anderen wiederum nicht.

Ruhe hat in Deutschland einen hohen Stellenwert. Deshalb gibt es auch die Mittagsruhe von 13.00 bis 15.00 Uhr, die Nachtruhe nach 22.00 Uhr und die Ruhe in Ewigkeit ... Amen.

Ich erinnere mich an die Zeit auf der Zeil/Frankfurt während der achtziger Jahre, als sogut wie jeder Straßenmusiker einen Amp dabei hatte und sogar Bands komplette Anlagen mit E-Gitarre, Bass und Schlagzeug dort aufbauten und loslegten. Irgendwann wurde es strikt verboten. Das Ordnungsamt war da auch ganz schön hinterher und wies ihre Strafzettelverteiler an, Ruhesünder rigoros zu verfolgen und zu knechten! Am liebsten hätten sie dieses Teufelswerk genannt Straßenmusik komplett untersagt, was aber laut Gesetz nicht möglich ist, da die Fußgängerzone ein öffentlicher Raum ist, wo Menschen sich treffen und komunizieren. Dazu gehört auch das Musizieren. Außerdem wäre es schlecht gewesen für die Publicity. Wie hätte das denn ausgesehen wenn man jeden, der sich mit einer Gitarre irgendwo hinsetzt sofort verscheuchen oder gar verhaften würde?!

Also ließ man sich was einfallen. Innerhalb der Gesetze gibt es Spielräume. Viele Großstädte im Rhein/Main-Gebiet folgten dem Beispiel Frankfurts und legten eigene Regeln in Sachen Straßenmusik fest. Bad Homburg setzte dem Ganzen die Krone auf: nicht nur, dass man keinen Verstärker mehr benutzen durfte. Man musste sogar den Platz alle 15 Minuten wechseln und mindestens 100 Meter weiterziehen!

Als Straßenmucker merkte man sehr schnell woher der Wind wehte, d.h. wo man willkommen war und wo nicht. In Bad Homburg sicherlich nicht. Was diese Stadt brauchte waren reiche Leute, die ihr Geld im Spielcasino ausgaben.

Oft wussten die Ordnungshüter selber nicht wie genau die Regeln lauteten und erzählten einem irgend 'nen Scheiß, der vorne und hinten nicht stimmte. Deshalb ging ich dazu über die Ordnungsämter abzuklappern, um mich genau zu informieren. In Aschaffenburg, wo ich oft und gerne spielte gab es so eine Art Bürgerpolizei. Das waren ganz normale Leute, die sich freiwillig dafür meldeten, täglich durch die Fußgängerzone und den Stadtpark zu patroulieren. Die machten das ehrenamtlich und bekamen dafür so eine Art Uniform und Funkgeräte zur Verfügung. Auf Anfrage musste man diesen Leuten den Personalausweis vorzeigen und ggf. deren Anweisungen befolgen. Wenn nicht, riefen sie sofort die "Kavallerie". Der Grund für die Aufstellung einer solchen Bürgepolizei war die steigende Drogenkriminalität in der Stadt. Man wollte die Strafzettelverteiler entlasten. Schließlich sollten diese Geld in die Kassen bringen und sich nicht mit irgendwelchen Drogis rumschlagen!

Die Bürgerpolizisten waren alle durchweg nette Leute und ich hatte keinen Ärger mit ihnen ... außer mit einem! Dieser Arsch hatte es nicht nur auf mich, sondern auf jeden abgesehen, der unerlaubt einen Furz ließ! Er machte mir zusehends das Leben schwer. Deshalb ging ich eines Tages auf das Ordungsamt und sprach mit einem Sachbearbeiter. Herr König war ein netter Mensch und erklärte mir ganz genau was ich als Straßenmusiker in Aschaffenburg durfte und was nicht. Dabei kam folgendes raus: in der kompletten Fußgängerzone durfte man nicht mit Verstärker spielen und musste den Platz alle 30 Minuten wechseln. Ausgenommen von dieser Regel war das Schöntal. In diesem Bereich, der sich von der Fußgängerzone durch den Stadtpark bis runter zur City-Gallerie ertsreckt, durfte man stehenbleiben so lange man wollte und den Verstärker bis zum Anschlag aufdrehen! Natürlich hielt ich mich von nun an immer dort auf und als das nächste Mal der Bürgerpolizistenarsch wieder vor mir stand sagte ich ihm durch die Blume, er solle sich verpissen!

In Bad Orb musste man z.B. unter der Woche 10 Euro zahlen, um Straßenmusik machen zu dürfen. War mir auch ganz recht! Ich zahlte und hatte meine Ruhe. Kein Mensch beanstandete danach meinen Verstärker oder dass ich zu lange an einem Platz stehen würde! Die Konkurrenz wurde dadurch auch ausgeschaltet weil sich anscheinend keiner außer mir die 10 Euro leisten konnte oder wollte.

Innerhalb dieser Regelstrukturen hatte auch ich meine Spielräume und fand sehr schnell heraus wie und wo der Hase läuft. Wenn ich heute daran zurückdenke wundere ich mich darüber, dass ich das alles so lange mitgemacht und ausgehalten habe. Zumal ich jetzt schon seit fast sechs Jahren, sechs Tage die Woche an ein und dem selben Platz stehe und spiele! Kein Mensch regt sich hier darüber auf.

Wie auch immer, ich machte so weiter. Bis ungefähr 1998. Dann traf ich Jörg Fuhrmann! Wir lernten uns in Hofheims Fußgängerzone kennen. Jörg spielt ebenfalls Gitarre und ist ein Experte in Sachen Resonatorgitarren. Er spielt Blues mit Slide und ist ein Anhänger der alten Schule. Zu seinen Vorbildern gehört u.A. Bob Brozman. Ich weiß noch, dass mich Jörg fragte ob ich Slide spielen würde. Als ich bejate, musste ich sofort eine Nummer vorspielen. Danach wurden wir schnell Freunde :o)

Für diejenigen, die nicht wissen was eine Resonatorgitarre ist: guckst du hier!

Jörg lud mich zu sich nach Hause ein und zeigte mir seine "Projekte": Resonatorgitarren, an denen er rumwerkelte und sie so lange modifizierte, bis er das Beste aus ihnen herausholte. Dabei ging es weniger darum, ob diese Gitarren teuer waren oder nicht. Oft waren es gerade die billigen Nachbauten, die nach einer solchen Behandlung besser klangen als die teuren Originale. Jörg war von Beruf Uhrmacher und ist ein absoluter Perfektionist. Sein Traum war eine original National aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Am besten eine National Style O aus den frühen dreißiger Jahren (siehe Bild).

Ich erzählte ihm wiederum von meinen Verstärkerproblemen auf der Straße und dass ich mir langsam eine Alternative überlegen müsste. Jörg hörte aufmerksam zu und riet mir schließlich zu einer Resonatorgitarre, da diese speziell auch für die Musik auf der Straße gebaut wurde um sich gegen den Krach durchzusetzen ... rein akustisch ohne Verstärker. Man muss sich das mal vorstellen: laut Wikipedia wurde das Instrument kurz vor 1930 von den aus der Slowakei stammenden Gebrüdern Dopyera (Dopyera Brothers) entwickelt, um die Lautstärke anderer Instrumente, insbesondere von Bläsern, auch für Gitarristen möglich zu machen. Das Lautstärkeproblem gab es also schon immer und ich war noch nie auf die Idee gekommen es mal mit so einer Gitarre zu versuchen.

Ich erwiederte, dass ich es mir nochmal überlegen würde, mir z.Zt. aber keine leisten könnte.

Es war dann kurz vor Weihnachten als Jörg anrief und sagte, ich sollte mal vorbeikommen, er hätte da was für mich. Bei ihm Zuhause präsentierte er mir dann eine von ihm modifizierte Johnson mit original National-Resonator. Die Gitarre klang unglaublich laut und besser als die viel teurere Continental, die er noch hatte.

Er schenkte mir die Johnson zu Weihnachten!

Ich war total aus dem Häußchen! Ich hatte bis dahin noch nie eine Gitarre geschenkt bekommen. Jörg wollte mir nicht nur eine Freude damit machen, sondern mich auch bei meinem täglichen "Kampf" auf der Straße unterstützen. Ich liebe diese Gitarre. Sie ist ein Beweis unserer Freundschaft und ich werde sie niemals hergeben! Sie wurde danach nochmal modifiziert. Thomas Kortmann aus Oberursel ersetzte den ursprünglichen Hals durch einen breiteren, aus hoch qulitativem Vogelaugenahorn! Und auch hier kam Jörg wieder ins Spiel. Kortmann baute zwar den Hals, weigerte sich aber diesen in die Gitarre einzupassen. Zuviel Arbeit, wie er sagte. Das machte dann Jörg. Und er machte einen hell of a job! Der Hit war, dass das Ganze nochmal mit einer zweiten Holz-Johnson, die ich später kaufte mehr oder weniger genauso wiederholt wurde!

Ich wusste nicht, wie ich ihm für das alles hätte danken können!

Aber es kam noch viel besser! Kurze Zeit später fand ich in einem Gitarrengeschäft in Frankfurt eine original Pre War National Duolian! Kostenpunkt 3.600DM. Ich weiß nicht welcher Teufel mich ritt aber ich musste diese Gitarre unbedingt haben! Warscheinlich lag es daran, dass mich Jörg mit dem Resonatorvirus infiziert hatte. Ich rief ihn an und erzählte ihm von der Neuigkeit. Er ließ alles stehen und liegen und fuhr von der Arbeit in Kronberg runter nach Frankfurt. Als er im Laden war konnte er seinen eigenen Augen nicht trauen: da war genau die Gitarre, die er schon immer haben wollte! Doch ich wollte sie auch. Der Hit war, dass ich überhaupt kein Geld hatte und Jörg es mir lieh, nachdem er den Preis auf 3.000DM runterhandelte!!! Ich musste ihm nur versprechen, dass wenn ich die Gitarre nicht mehr haben wollte, er sie bekommen würde.

Soviel zur Frage "Wie hätte ich ihm nur danken können"! Wenns nämlich um Gitarren geht, werden bei uns Gitarristen nicht nur gute Vorsätze außer Kraft gesetzt, sondern auch das Hirn!

Am nächsten Tag stand ich mit der alten Duolian im Schöntal Aschaffenburg und versuchte gerade den Gurt festzumachen als sie plötzlich runterfiel und mit dem Kopf zuerst auf das Pflaster krachte! Es gab einen Schlag als hätte jemand mit einem Baseballschläger gegen eine leere Blechtonne geschlagen und ich bekam fast einen Herzinfarkt!! Bei jeder anderen Klampfe wäre der Kopf sofort abgebrochen. Nicht so bei der alten Duolian. Durch ihr Alter war das Holz hart wie Fels! Lediglich ein kleines Stück oben am Kopf war abgesplittert. Doch auch das tat mir in der Seele weh! Ich erzählte Jörg davon am Telefon und er verfluchte mich!

Später konnte ich ihm die 3000DM nicht zurückzahlen und er bekam die Gitarre. Komischerweise verkaufte er sie an einen Freund und bestellte sich eine andere aus den USA. Das war eine National Triolian Bj. 1932/33. Diese wiederum kaufte ich ihm für 2.000 Euro ab, kurz bevor ich nach Irland ging. Doch ich konnte mich nicht so recht mit ihr anfreunden und nachdem sie Jahrelang nur im Koffer lag stellte ich sie für einen Festpreis von 1.800 Euro im eBay ein. Doch keiner wollte sie haben. Statt runterzugehen erhöhte ich den Preis auf 1.900. Das ging dann weiter bis 2.300 Euro. Dann kaufte sie ein Typ aus Deutschland. Sein Kommentar: "Ich wollte schon immer so eine und habe deshalb sofort zugeschlagen!" Wie gesagt, wir Gitarristen sind Freaks!

Worum es mir aber geht ist folgendes: durch Jörg habe ich mein altes Instrumentalprogramm über Bord geworfen und fing an zu singen! Ich stand da plötzlich mit einer funkelnden Blechgitarre, einem eye catcher und sang mir die Seele aus dem Leib. Nicht nur, dass damit das Verstärkerproblem gelöst war, sondern ich fühlte mich auch befreit von den alten Gewohnheiten und sang es in die Welt hinaus. Plötzlich bekam ich auch öfters Auftritte und verdiente mehr Geld! Ich lernte Leute kennen, die früher nur an mir verbeigelaufen sind, mir nun aber gut zusprachen, Komplimente und Mut machten. Ich fühlte mich wie neugeboren. Das einzig Negative an der Resonatorgitarre ist ihr Gewicht. Durch das jahrelange Spielen im Stehen mit so einer Klampfe aus Messing, habe ich heute einen Haltungsschaden. Doch das war es mir wert!

Heute spiele ich wieder mit Verstärker und habe alles Mögliche im Programm. Ich spiele die alten Instrumentalnummern, singe meine Songs und spiele neuerdings auch E-Gitarre mit Backingtracks. Ich habe drei Gitarren da draußen (auch die Holz-Johnson), singe über Mikro und habe meinen Platz gefunden.

Das alles habe ich zum großen Teil meinem alten Freund Jörg Fuhrmann zu verdanken. Ohne ihn hätte ich später nie in Irish-Pubs gespielt und wer weiß, vielleicht wäre ich auch nicht hier!

Thank you my friend!

P.S. Jörg spielt z.Zt. im Bluesduo Cooling Board. Lohnt sich rein zu schauen!

4 Kommentare:

  1. Sehr schön erinnert!
    Ich wußte gar nicht, daß ich Nenad so beeinflußt habe...die alte Duolian gibts übrigens immer noch, sie steht jetzt bei meinem Freund Tilman in Heidelberg - auf Linkshand umgebaut. Tja, auf die waren wir beide so scharf wie auf ein schönes Weib, die hat uns echt das Gehirn rausgeblasen!

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  2. Tja, Gitarren sind wie Frauen: Man packt sie am Hals und zupft sie am Loch *Muaaaahaha*

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  3. danke für die info - hab den eintrag über google gefunden, hab nach den regelungen in aschaffenburg gesucht, da einer dieser "ordnungshüter" mich letztens angesprochen hatte, dass es verboten sei, in der fußgängerzone mit verstärker zu spielen. werde wohl demnächst im schöntal weitermachen ;)

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  4. Wenn die Regelungen seit damals nicht geändert wurden, kannst Du das ruhig machen. Wie gesagt, am besten Du gehst aufs Ordnungsamt und fragst einfach nach. Gruß

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