Ich habe immer gerne in Butzbach gespielt. Eine schöne Stadt mit großem Marktplatz und Fußgängerzone, nette Leute, tolle Gastronomie. Hat immer Spaß gemacht und die Resonanz war durchweg positiv, d.h. die Menschen dort mögen mich und meine Musik. Seit einem Jahr spiele ich nun auch mit Verstärker. Der Grund dafür ist einfach: ich kann mich besser durchsetzen. Ich spiele nicht laut, weil ich niemanden stören will. Es ist gerade laut genug, dass man mich gut hören kann. Es hat sich bisher auch niemand darüber beschwert. Auch nicht in Butzbach. Ich weiß das, weil hätte sich jemand beschwert, wäre sofort das Ordnungsamt aufgetaucht. War aber nicht so. Bis gestern. Da passierte etwas, das ich nur als vollkommen absurd bezeichnen kann. Ich habe schon einiges in meinen 25 Jahren als Straßenmucker erlebt, doch diese Sache gehört zur Kategorie "Doktor Mabuses Kuriositätentheater".
Ich stand ung. 15 Minuten an der Stelle wo ich immer stehe, wenn ich in Butzbach spiele: mitten in der Fußgängerzone, zwischen dem italienischen Eisladen und dem Marktplatz, gegenüber der Bäckerei Moos und dem italienischen Feinkostladen. Eine gute Stelle, wo sich die Wege kreuzen und viel Betrieb herrscht. Die Leute sitzen entspannt draußen an den Tischen, trinken Kaffee, unterhalten sich und alles ist gut. Das Wetter war schön und es schien ein viel versprechender Tag zu werden.
Bis zu dem Moment als der Strafzettelverteiler vom Ordnungsamt auftauchte. Der Einfachheit halber nenne ich ihn mal "Blockwart".
Blockwart ist ein großer, schlanker Typ mittleren Alters, mit grauem Haar und Schnurrbart, den niemand leiden kann, weil er munter Strafzettel verteilt. Es haben sich schon zig Leute über ihn beim Ordnungsamt beschwert, doch das kümmert Blockwart wenig, denn er geht voll auf in seinem Beruf. Blockwart ist die Sorte Mensch, die keiner braucht. Das Ordnungsamt braucht ihn dagegen schon, denn er fährt regelmäßig Kohle ein und das ist Gold wert. Schließlich muss das Geld ja irgendwo herkommen und wenn schon nirgendwo Blitzer installiert sind, dann braucht man wenigstens einen tüchtigen Blockwart. So gut wie jede Stadt hat einen. Ich habe mich schon oft gefragt, was das für Menschen sind. Man braucht keine besondere Ausbildung, um diesen Job zu machen. Eigentlich braucht man gar keine. Entweder treibt einen die pure Verzweiflung dazu oder einfach nur Boshaftigkeit. Bei Blockwart trifft eher das Zweite zu. Er ist einer von denen, die früher in der Schule ihre Klassenkameraden verpfiffen haben, nicht nur weil sie sich dann bessere Noten erhofften, sondern vor allem weil sie sich gut dabei fühlten und sich bei ihren Lehrern einschleimen wollten.
Wie gesagt, Blockwart ist ungefähr genauso beliebt wie ein Hirntumor. Er geht abends mit einer Schüssel Nudelsalat spazieren, um den Eindruck zu erwecken, er hätte Freunde, die ihn zu ihrer Party eingeladen haben.
Blockwart steht also vor mir, greift sich nachdenklich ans Kinn und sagt: "Ich will mal klären, ob sie hier mit Verstärker spielen dürfen". Dabei zückt er sein Handy aus der Tasche und ruft im Ordnungsamt an. Dort weiß man es nicht so genau und muss erstmal in den Unterlagen nachschauen. Fünf Minuten später rufen sie zurück, worauf mir Blockwart mit feierlicher Miene und einem Ständer in der Hose erklärt: "Sie dürfen weiterspielen aber ohne Verstärker und müssen jede halbe Stunde den Platz wechseln". Mir schwillt der Kamm und ich sage trotz besserem Wissen: "Ist mir egal. Ich bleib hier stehen und der Verstärker bleibt an." Zum dritten Mal greift Blockwart zum Handy und bittet um Unterweisung. Er sagt: "Der Mann weigert sich den Verstärker auszuschalten und nennt mich einen unmöglichen Menschen!" (wortwörtlich)
Wieder fünf Minuten später steht eine nette, junge Frau türkischer Abstammung vor mir und sagt, sie wäre vom Ordnungsamt und ich müsse sofort den Verstärker aus machen. Es hätten schon etliche Leute angerufen und sich beschwert. Ich erwidere: "Erzählen sie doch keinen Scheiß! Niemand hat angerufen und sich über mich beschwert. Über den da drüben vielleicht." Dabei deute ich auf einen rumänisch-bulgarischen Quetschkommodenspieler, der ung. 20 Meter weiter sitzt und sein Teil quält, dass einem die Ohren bluten. Wie ich später erfahren sollte, sitzt er da schon seit drei Stunden. Doch das interessiert weder Blockwart noch Nilüfer (ich nenne sie einfach mal so). Nilüfer wird sauer, und fragt warum ich denn so aggressiv sei? Ich merke sie hat recht und sage: "Ich rede laut, damit sie mich bei dem Krach verstehen können. Vielleicht wissen sie jetzt warum ich mit Verstärker spiele." Daraufhin begeht Nilüfer einen großen Fehler und sagt: "Dann reden sie doch über ihr Mikrofon!"
Ich drehe mich sofort zum Mikro und sage: "Gehe ich hier irgendjemandem auf die Nerven? Hat sich hier irgendjemand über mich beschwert?" und schaue in die Runde. Die Leute schütteln mit dem Kopf und einige rufen "Nein!"
Nilüfer merkt, dass ihr die Situation aus den Fingern gleitet und ist aufgebracht. Sie sagt: "Sie schalten sofort ihren Verstärker aus oder wir belegen sie mit einem Bußgeld!" Dabei dreht sie sich zu Blockwart um, der sich die ganze Zeit hinter ihr hält und fragt: "Wie machen wir das eigentlich?" Blockwart steht nur da und zuckt mit den Schultern. Nilüfer droht die Polizei anzurufen.
Mir fehlt einfach die Raffinesse in solchen Situationen. Das muss ich zugeben. Deshalb sage ich: "Habt ihr nix besseres zu tun?", woraufhin Nilüfer wütend davon stapft und Blockwart hinter ihr her.
Die Leute stehen da, teilweise wie vom Donner gerührt. Einige schütteln ungläubig den Kopf, andere meinen sie können nicht glauben, was sie da eben gesehen haben und einige andere meinen, Butzbach geht denn Bach runter. Ein paar Nette Damen wollen aufs Ordnungsamt und sich beschweren. Mir ist die Lust vergangen und ich packe mein Zeug. Die Leute wollen mich überreden zu bleiben. Ich sage es täte mir leid aber ich würde gar nicht mehr in Butzbach spielen und verabschiede mich. Als ich weggehe läuft mir doch tatsächlich noch eine der netten Damen nach und sagt, dass ihr das alles sehr Leid täte.
So sind die Wetterauer: Menschen mit dem Herzen am rechten Fleck.
Fazit? Straßenmusik in Deutschland wird nur geduldet und ist nicht ausdrücklich erlaubt. Das Spielen mit Verstärker in der Fußgängerzone ist grundsätzlich verboten und bedarf einer Sondergenehmigung. Jede Stadt handhabt das unterschiedlich und solange man den Leuten nicht auf den Sack geht, ist alles in Ordnung. Wenn jedoch der Blockwart auftaucht und meint, er müsse für Zucht und Ordnung sorgen, hat man als Straßenmucker so gut wie keine Chance. Gott sei Dank gibt es noch genügend Städte, wo man in Ruhe spielen kann.
Noch ...
Nicht gerade zuträglich ist die osteuropäische Quetschkommoden-Fraktion, die schon seit Jahren alles dafür tut, die hiesige Straßenmusikszene kaputt zu machen und die man komischerweise einfach gewähren lässt.
Und wenn man dann noch eine Story mitbekommt, wie die von Elen Wendt aus Berlin, könnte man doch glatt vom Glauben abfallen.
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