Montag, 19. September 2016

Faithful Son

my babe & me

Gestern traf ich eine alte Bekannte in Oberursel. Ich hab am Wochenende dort gespielt wegen dem orscheler Sommermarkt. War übrigens super. Besagte Bekannte erzählte mir von ihrem Krebsleiden, dass sie keine Medikamente mehr einnehmen will, weil diese sie eher fertig machten wie die Krankheit selbst. Wir unterhielten uns auch über Musik, bzw. über die nicht mehr vorhandene Musikszene. Sie fragte mich, wie’s mir so gehen würde auf der Straße. Ich erzählte ihr von meinen Problemchen, dem wachsenden Ärger mit den Ordnungsämtern. Sie schüttelte nur mit dem Kopf und sagte (Zitat) „Die sollten doch froh sein, dass überhaupt noch gute Musik gespielt wird“. Es gäbe ja kaum noch Live-Venues, wo man regelmäßig hingehen könnte. Es herrscht gähnende Langeweile, egal wo man hinschaut bzw. hingeht. Konsumorientiertes Volk mit Hang zum sich selbst abfeiern. Ich sagte, das sei ein Phänomen aller westlichen Wohlstandsgesellschaften. Die Leute sind einfach overdosed und wissen nicht mehr wo sie ihren Kick herbekommen sollen.

Hinterehr machte ich mir so meine Gedanken. Ich bin jetzt 53. Ich steh auf der Gass’ und habe nichts als meine Gitarren, Verstärker, Effektgeräte und einen Traum, den ich schon seit 40 Jahren lebe. Ich habe vier eigene CDs produziert, die so gut wie niemand kennt. Habe zig Songs geschrieben, die auch keiner kennt. Mein Erfolg ist mehr als bescheiden. Ich kann auch nicht mehr so gut spielen wie früher, weil meine Finger eingerostet sind. Das kommt daher, weil ich nur noch schrubb-schrubb auf der Gitarre mache und in keiner Band mehr spiele, wo ich gefordert wäre. Üben tu ich so gut wie gar nicht mehr. Wozu auch?

Außerdem habe ich Schulden. 5000 Euro, um genau zu sein. Diese will ich bis ende des Jahres komplett abbezahlen. Danach bin ich frei und kann auch mal zuhause bleiben und eine neue CD produzieren, sofern mir was daran liegt. Oder ich schreibe endlich mal ein Buch über mein Musikerleben.

Ich habe kein Haus gebaut, bekomme keine Rente, da ich nie eingezahlt habe und habe nichts gespart. Ich bin total pleite, weil ich meine Schulden zurückzahlen muss. Ich habe für meinen Lebensabend überhaupt nicht vorgesorgt. Eher im Gegenteil: Geld das ich mal hatte, habe ich mit vollen Händen ausgegeben.

Gemessen an westlichen Standards bin ich ein absoluter Loser.   

Doch wenn ich mich umschaue und die vielen Gesichter sehe, die jeden Tag an mir vorüber gehen denke ich, verdammt geht’s mir gut. Das Feuer brennt noch in mir. Da sind noch jede Menge Songs und ein oder zwei Bücher die ich schreiben könnte. Ich habe noch viel zu sagen.

Neuerdings fragte mich jemand „Was machst du, wenn du mal alt bist und nicht mehr kannst?“ Eine Frage, die gerade hier in Deutschland sehr wichtig scheint. Meine Antwort: „Keine Ahnung. Da kümmere ich mich drum, wenn’s so weit ist.“

Komischerweise fällt mir dazu ein Lied von Patty Griffin ein „Faithful Son“. Letztendlich kommen wir allein und gehen wieder allein. Der Tod kommt bestimmt. Wichtig ist, wie man gelebt hat.

"Faithful Son"
Oh, my god, I cry in fear
Afraid you have forgot me here
Afraid you haven’t gotten long
Your quiet dove and faithful son

I went to work, I worked all day
When I wanted to run, I stayed
I kept the promises I made
I kept the promises I made

Little children came and grew
Moved away and never knew
Who I was or who I am
Well, they never knew this lonely man

When those mornings came, stiff with rain
I thought the sun would never shine again
With the sleeves of my old raincoat stained
With the salt of my own tears

And I never would tell you then
So I never will tell you now
All the things that break an old man down
The real truth is I don’t know how

Oh, my god, I cry in fear
Afraid you have forgot me here
Afraid you haven’t gotten long
Your quiet dove and faithful son

Who’s seen the loneliest of days
And fought the dirtiest of ways
With the man inside who would have run away
From the promises I made

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