Mittwoch, 18. Juli 2012

Wanderers Parallelwelt

Was lese ich gerade auf Wanderers Irland ist schoen, deshalb kommt alle her und zahlt mir €500 die Woche, damit ich euch in meiner Parellelwelt hinters Licht fuehren kann-Blog:
Die Postkarten waren in den 80-er und 90-er Jahren der Renner: Grüße aus einer anderen Welt, “Rush Hour in Irland”  — die Schafe machten den Verkehrstau und den Unterschied zum übermotorisierten Festland aus. Die Freunde daheim staunten wahlweise Bauklötzchen oder Schafsknöddel.
Wer heute auf einer irischen Autobahn, zum Beispiel der verkehrsreichen Autobahn M 50 um Dublin herum kurvt, wer in Irish Suburbia lebt, wer den eitlen Lebensstil der Speckgürtel-Iren kultiviert, wer sich auf der Bank in Limerick Southill die Stütze abholen muss, der kennt das alte Irland, das ländliche, geruhsame und unaufgeregte Irland meist nicht — und er bringt dafür genauso wenig Verständnis auf wie der bemützte Krankenwagenfahrer aus Cavan oder der frustrierte Gitarrenonkel aus Ennis.
Die Welt der geschmähten Culchies, der Bauern, der Landeier, der Rotnacken, der Dörfler in den Bergen des Westens von Donegal, Mayo, Sligo, Kerry und Cork, ist eine stille Parallelwelt. Eine, die sich in die hinteren Winkel von schwer zugänglichen Tälern zurückgezogen hat —  aber eine, die lebt. Es ist eine Welt, die idyllisch und romantisch wirkt. Das Leben in dieser Welt ist zumeist hart und einfach, oft engstirnig, reiz-arm und einsam.
Hier haben die destruktiven Kräfte der gefräßigen Wachstums-Öknomie nur wenig Futter gefunden. In der Genügsamkeit der “Unter-Entwicklung” schlummert ein unformulierter Gegenentwurf zu einer scheiternden Zivilisation. Reizvoll bleibt deshalb der Besuch. Diese Welt ist aus der Gleichzeitigkeit gefallen. Sie ermöglicht den Vergleich mit der Unwirtlichkeit der Wohlstandwelt und erfüllt manche Herzen mit Sehnsucht nach der verlorenen Zeit.
Da ich ja auf seinem Blog nicht mehr kommentieren darf und alle meine Kommentare automatisch im Spam Ordner landen, tu ich das hier.

Vor nicht allzulanger Zeit dachte ich noch, dass unser Vorzeigeschwabe seinen Scheiss nur deshalb verzapft, damit ihm die Kundschaft nicht ausgeht. Ich dachte das Gesuelze waere eine Art Vermarktungsstrategie. Als er vor ein paar Jahren seine x-ten Gruende warum wir Irland lieben und hier leben veroeffentlichte, haette ich mir vor Lachen fast in die Hose gepisst. Doch vor kurzem brachte er das gleiche Ding in leicht abgeaenderter Form nochmal. Da dachte ich mir: der glaubt wirklich was er da erzaehlt!

Ich bin ja der Meinung, dass gerade deutsche Irrlandfans maechtig einen an der Klatsche haben. Da kommt natuerlich der Wanderer gerade richtig. Ist ungefaehr so wie bei einer religioesen Sekte: der Oberguru kann nur dann seine Juenger erfolgreich bekehren, wenn er selber glaubt. Erst dann kommt er glaubhaft rueber und hat seine Schaefchen fest im Griff.

Kann denn jemand wirklich so bloed sein?

Der Wanderer glaubt, dass innerhalb Irrlands eine abgeschiedene Parallelwelt existiert, fernab des Molochs Dublin oder Limerick. Er glaubt, dass dort die alte irische Wunderwelt noch intakt sei. Eine Welt der Genuegsamkeit und des Friedens, wo die (Zitat) destruktiven Kräfte der gefräßigen Wachstums-Ökonomie kein Futter finden.

Mir draengt sich da sofort die Frage auf: Wachstums-Ökonomie in Limerick?!

Natuerlich gibt es noch abgeschiedene Gegenden in Irrland. Ist ja auch gut so. Nur sind diese nicht so wie unser Walkman sie beschreibt. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Die Parellelwelt von der Walki redet, existiert nur in seinem Kopf.

Die Gegend wo er lebt ist Glengarriff, Co. Cork und bei Touristen sehr beliebt, aehnlich wie Kilkee hier bei uns an der Kueste, Mountshannon oder Killaloe weiter im Landesinneren. Dort hat sich also der Wanderer mit seiner Familie niedergelassen und betreibt sein Tourismusgeschaeft. Er fuehrt die Leute spazieren und praesentiert ihnen Naturlandschaften als das wahre Irland. Wandern hoch über dem Atlantik. In alten geheimen Gärten. In den Wäldern der Kelten. Am Meer. So nennt er das. Sein Blog strotzt nur so von schoenen Bildern, Panorama-Aufnahmen von Bergen, Taelern, dem Meer mit strahlend blauem Himmel, sattem Gruen, Kuehen, Schafen, Cottages, keltischen Kreuzen, Ruinen etc. Die ueblichen Irlandclichés. Gerne macht er auch Interviews mit deutschen Expats, die es in Irland "geschafft" haben und nur gutes ueber das Land erzaehlen. Deutsche Film-Promis, die in Irland gedreht haben und das Land danach sehr vermissen. Positive attitude of mind ist hier das oberste Gebot. Das Ganze hat so einen gewissen Alt-Hippie-Flair.

Da ist ihm natuerlich so ein Drecksack wie ich ein Dorn im Auge. Mein "Faekalblog", meine Schreibe und Sprache, denen (wie er meint) eine gewisse Hygiene abgeht, sind ihm ein Greuel. Und genau das freut mich. Fuer mich gibet naemlich nix schoeneres als so jemandem wie ihm und seinem verlogenen Pack, das da durch die rische Landschaft humpelt, verbal in den Arsch zu treten.

Aber bleiben wir beim Thema: Wie sieht denn diese Wunderwelt der "geschmähten Culchies, der Bauern, der Landeier, der Rotnacken, der Dörfler in den Bergen des Westens von Donegal, Mayo, Sligo, Kerry und Cork" wirklich aus? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, weil ich selbst dort noch nie gelebt habe. Aber eins weiss ich:

Die irischen Farmer sind die Wohlhabendsten Leute im Land. Sie werden vom Staat sowie von der EU finanziert. Ihre Felder liegen groesstenteils brach, weil sie dafuer bezahlt werden nichts anzupflanzen. Sie bekommen Verguenstigungen vom Staat, wie z.B. Steuererleichterungen.Sie muessen fuer die Ausbildung ihrer Kinder nichts bezahlen. Die meisten halten Rinder, die sie auf die Weide treiben und dort wochenlang unbeaufsichtigt stehen lassen. Das Gras waechst hier das ganze Jahr ueber wie bloed. Der Marktpreis fuer Rindfleisch ist hoch und an Abnehmern fehlt es auch nicht. McDonalds ist einer von ihnen. Sie bekommen in Zeiten der Wirtschaftskriese immer noch Kredit bei der Bank, kaufen sich davon neue Traktoren, die €80.000 kosten und setzen das bei der Steuer ab. Viele von ihnen arbeiten auch nebenher im oeffentlichen Dienst bei der Garda, im Council oder Gesundheitssektor. Alles gutbezahlte, sichere Jobs.

Warum ist das so?

Weil die irischen Farmer schon immer die Fianna Fáil gewaehlt haben. Eine durch und durch korrupte Partei, die dieses Land in den Ruin getrieben hat. Eine Hand waescht eben die andere. Die Farmer-Lobby steht hinter der Regierung und die Regierung steht hinter den Farmern. Aehnlich wie in Frankreich ist auch der irischen Regierung sehr wohl bewusst, dass man die Bauern bei Laune halten sollte. Schliesslich ist Irrland laendlich gepraegt.

Die Mentalitaet der irischen Farmer koennte man so beschreiben: immer schoen ruhig und unauffaellig. Ja nichts kritisieren. Warum auch? Wenn es hier jemandem gut geht, dann sind es die Farmer. Dabei kriegen die einfach nicht den Hals voll. Hier bei uns in der Gegend liegen die Felder brach: keine Kuehe oder Schafe. Nicht mal Pferde. Weil die Pferdebesitzer sich die €500 nicht mehr leisten koennen, die sie den Farmern monatlich zahlen muessten, um ein Pferd auf ihre Weide zu stellen. Da gibt es auch keine Verhandlungsbasis. Take it or leave it, ist hier die Devise.

Deshalb ist die Welt der irish countryside noch in Ordnung. Waehrend die Leute in Dublin, Limerick und sonstwo arbeitslos sind und nix zu fressen haben, leben die Farmer wie die Maden im Speck. Die Landidylle ist doch was schoenes, nicht wahr? Diese besinnliche Ruhe und Einsamkeit, fernab der "gefräßigen Wachstums-Ökonomie." Das ist es worauf der Wanderer und seine Tourismus-Schaefchen stehen.

Vielleicht sollte sich Walkman mal fragen was passieren wuerde, wenn man den Farmern all das o.g. wegnehmen wuerde?

Walkmans Denkweise erinnert mich an einen User im Irlandforum, der neulich ueber Limerick meinte:
"Ich war zwar nie da, denke aber es ist eine schoene Stadt, nachdem ich Die Asche meiner Mutter gesehen habe."
Diese verklaerte Romantik der deutschen Hibernophilen ist einfach nur zum Kotzen.

Apropos: Limerick ist haesslich und es gibt dort im Grunde nicht viel zu sehen. Trotzdem mag ich diese Stadt sehr gerne, gerade wegen ihrem asozialen Flair. Im Gegensatz zu Glengarriff, Mountshannon oder Adare ist Limerick das ehrliche Spiegelbild Irrlands. Das gefaellt mir.

Noch ein Wort zu dem "frustrieten Gitarrenonkel aus Ennis": natuerlich bin ich frustriert. Warum das so ist, kann hier jeder nachlesen. Ich steh auch dazu. Allerdings bin ich noch nicht da angekommen, dass ich mir jeden Tag literweise Alk, Drogen oder Medikamente einfahren muesste, so wie viele Irren, die ich kenne. Das nennt man Depression. Dagegen ist mein Frust eine Lapalie.

Und hey, lieber ehrlich frustriert, als krampfhaft bemueht. In diesem Sinne ...

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