Nein, nicht das Ende der Welt, obwohl man schon denken koennte, dass es das ist, wenn man sich anschaut was da draussen alles so passiert: Fukushima, Monsanto, Umweltverwuestungen, Tiersterben etc. Die Reihe koennte man beliebig fortsetzen. Doch davon will ich jetzt garnicht reden.
Meine bzw. unsere Zeit in Irrland neigt sich dem Ende entgegen. Ella verlaesst morgen auf Nimmerwiedersehen das Land und bei mir dauert es noch ung. drei Wochen. So wie's aussieht werden wir also Weihnachten und Neujahr in Deutschland feiern. Die Vorstellung, dass ich noch einen Winter hier verbringen muesste, erzeugt nicht nur Unbehagen, sondern Uebelkeit.
Was allein schon in den letzten paar Wochen im lieblichen Ennis so abgelaufen ist, koennte die Frage aufwerfen, ob intelligentes Leben in diesem Kaff ueberhaupt moeglich ist. Oder ob es dort draussen, im Rest des Landes intelligente Lebensformen gibt. Man koennte es auch so formulieren: Es gibt eine bestimmte Zahl an Counties, jedoch nur eine endliche
Anzahl an bewohnten Gegenden. Teilt man "bestimmt" durch "endlich" ergibt
das in diesem Land Null. Intelligente Lebewesen auf die wir ab und zu treffen sind also
nur ein Produkt unserer gestoerten Fantasie. Oder so ...
Doch bleiben wir mal bei der Sache. Machen wir mal einen reality check.
Die Anzahl des fahrenden Volkes in Ennis hat in den letzten paar Jahren drastisch zugenommen. Diese Leute fahren nicht mehr, sondern lassen sich nieder. Ganz nach dem Motto "wir sind gekommen, um zu bleiben", werden immer mehr Traveller sesshaft. Gleichzeitig steigt die Kriminalitaet: Drogenhandel, Einbruch, Diebstahl, Mord und Totschlag. Gewalt auf den Strassen. Dublin und Limerick sind ueberall! Ich bin kein aengstlicher Mensch aber irgendwann machte ich mir Sorgen. Allein dieses Jahr hatten wir sechs Selbstmorde, einige Drogentote und Morde. In einem Kaff mit rund 20.000 Einwohnern ist das schon besorgniserregend.
Da waere z.B. die beruehmt beruechtigte Familie Sherlock. Die Mutter erkrankte vor einigen Jahren an Krebs. In 2011 bekam sie einen Anfall und wurde zum oertlichen Krankenhaus gefahren. Weil die Intensivstation nach 18.00 Uhr geschlossen ist, schickte man sie nach Limerick. Sie starb auf dem Weg dorthin. Der Mann verklagte daraufhin das Ennis General Hospital und bekam eine Entschaedigung von ueber 1 Mio Euro. Ploetzlich war der Mann Millionaer und kaufte sich ein Haus in einer Siedlung nicht weit von uns entfernt. Vorher in Cloughleigh, einem Scheissviertel, wo er seine Blagen im Winter zu den Nachbarn schickte, um Kohle zu klauen, lebt er nun im eigenen Haus und liess auch sofort einen Rundbrief an die neuen Nachbarn verfassen, worin er anbot ihre Haeuser zu kaufen, damit die Sherlocks dann in ihr eigenes, privates estate haetten einziehen koennen. Soweit ich weiss lehnten die Leute ab.
Millionen hin oder her, die Haelfte der jungen Sherlocks sind Dealer und Junkies. So auch einer der Soehne, der es ein bisschen zu bunt getrieben hatte und im Rollstuhl sass, nachdem man ihm beide Beine amputiert hatte. Zwischendurch setzte er mal so nebenbei das Lakes Nursing Home in Killaloe in Brand. Dabei starb eine 95 jaehrige Patientin. Doch statt ihn sofort in den Knast zu stecken, wurde er auf Kaution entlassen. Als Opfer der Gesellschaft suchte man ihm sogar eine Bleibe, wo er ungestoert seinen Hobbies haette nachgehen koennen. Doch soweit kam es garnicht. Vor ung. zwei Wochen tauchte er zusammen mit zwei Kumpels bei mir in der lane auf.
Das Gespraech lief folgendermassen:
Er: "Hast du Feuer?"
Ich: "Nein ich rauche nicht."
Er: "Wieviel kostet dein Equipment?"
Ich: "Ist egal."
Er: "Sei mal nicht so ein Klugscheisser!"
Ich: "Verpiss dich!"
Er: "Wenn du so weiter redest, spielst du hier nicht mehr lange!"
Ich: "Wenn du so weiter redest, trete ich dir in den Arsch obwohl du im Rollstuhl sitzt!"
Er: "Ich kenne jemand, der schneidet dir dein Gesicht ab!"
Ich: "Ich kenne jemand, der schneidet dir ein Stueck Kuchen ..."
Er: "Warum gehst du nicht zurueck in dein Land, wo du herkommst?"
Ich: "Warum gehst du nicht in den Knast?!"
Daraufhin verpissten sie sich. Zwei Tage spaeter fand man ihn auf dem Golfplatz. Tod durch Ueberdosis. Soviel dazu. Nur eine von mehreren lustigen Geschichten in letzter Zeit ...
Ehrlichgesagt ist es mir mittlerweile ein Raetsel, warum ich ueberhaupt in dieses Land gekommen bin. Natuerlich weiss ich es aber es kommt mir jetzt vor wie ein Witz! Fuer manche ist diese Insel ein Platz an dem das Leben sich lohnt und der wunderschoenste Ort in Europa. Fuer mich ganz sicher nicht. Wenn ein bekloppter Ire, so wie gestern, den ganzen Tag bei der Statue im Stadtzentrum aus Leibeskraeften "Sieg heil" schreit, dann gucken auch die deutschen Touristen ein wenig dumm aus der Waesche.
Letztendlich habe ich es jetzt einem Hollaender zu verdanken, dass ich hier wegkomme. Davon jedoch mehr in meinem Buch, das ich sobald ich in wieder in Deutschland bin anfangen werde zu schreiben. Schliesslich sollen sich die letzten neun Jahre auch lohnen. Es muss doch alles einen Sinn gehabt haben ...
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