Samstag, 25. August 2018

Wenn man dafür bestraft wird Musik zu machen

Auszug aus dem Schreiben der Oberurseler Ordnungsbehörde:

Sehr geehrter Herr Ptic,

Sie haben folgende Ordnungswidrigkeit begangen:

Sie haben am Samstag, 04.08.2018 in der Zeit von ca. 10:35 Uhr bis ca. 11.35 Uhr in der Oberurseler Fußgängerzone, vor dem Ladengeschäft "Tchibo", Vorstadt 18 auf öffentlicher Straße etwa 60 Minuten musiziert und gesungen. Der Aufforderung der Stadtpolizei, den Standort zu wechseln, wollten sie nicht nachkommen, da sie die städtische Gefahrenabwehrverordung nicht anerkennen wollten. Dem Platzverweis der Ordnungspolizeibeamten folgten sie nicht. Erst die herbeigerufene Landespolizei beendete ihren Auftritt, erteilte ihnen einen schriftlichen Platzverweis auf der Polizeiwache und stellte ihre Musikinstrumente sicher.

Nach § 4 der Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Oberursel (Taunus) über aggressives und organisiertes Betteln, wildes Zelten und Nächtigen, Lärmbelästigung durch Straßenmusik sowie wildes Plakatieren, Beschriften, Bemalen und Besprühen ist es verboten, auf öffentlichen Straßen oder öffentlichen Anlagen im Bereich zwischen den Straßen Feldbergstraße, Liebfrauenstraße, Oberhöchstädter Straße, Korfstraße, Strackgasse, Marktplatz und Eppsteinerstraße länger als 30 Minuten an einem Standort oder Hörweite dieses Standortes zu musizieren, falls der Magistrat der Stadt Oberursel (Taunus) dies nicht ausdrücklich erlaubt hat. 

Sie haben am selben Standort etwa eine Stunde musiziert und gesungen. Eine Erlaubnis des Magistrates der Stadt Oberursel (Taunus) dort länger als 30 Minuten musizieren zu dürfen, lag nicht vor.

Wegen dieser Zuwiderhandlung verwarne ich Sie und erhebe ein


Verwarnungsgeld von 55,00 EUR


Anlage
1 Äußerungsbogen 

Ich rate jedem, sich das ein paar mal durchzulesen und auf der Zunge zergehen zu lassen. Aber der Reihe nach.

In fast jeder Stadt gibt es sog. Auflagen für Straßenmusik. Meistens darf man nur 30 Minuten spielen und muss danach den Standort wechseln. In Oberursel ist es aber so, dass man nach 30 Minuten die gesamte Füßgängerzone verlassen muss. Dann hat man die Möglichkeit auf dem Marktplatz und im Konrad Adenanauer Park weiter zu machen. Auch nur jeweils 30 Minuten. So hat es man mir zumindest erklärt. Mit anderen Worten: nach 1,5 Stunden kann man seine Sachen packen und das Glück in einer anderen Stadt versuchen.

Abgesehen davon, dass solche Regelungen nur deshalb eingeführt wurden, weil die russischen-, tschechischen-, slowakischen-, rumänischen- und bulgarischen Quetschkommoden-Quäler schon seit Jahren die Leute in deutschen Fußgängerzonen mit "ein und dem selben Lied"  drangsalieren, ist es einfach so, dass eben diese Regelungen es uns seriösen (unter "seriös" meine ich die Guten, die ihr Handwerk beherrschen, ihren Lebensunterhalt damit verdienen und den Leuten nicht ständig auf den Sack gehen) Straßenmuckern unmöglich machen unseren Job auszuüben. Im Grunde könnten sie es auch ganz verbieten, es käme aufs Gleiche raus.

Deshalb halte ich mich an keine dieser Regeln. Nie und nimmer wäre mir jedoch in den Sinn gekommen, dass ich eine Gefahr darstelle *muahahaaa*! Was leben wir doch z.Zt. in einem verrückten Land, wo die wirklich Gefährlichen im Bundestag sitzen (damit meine ich nicht die AfD) oder auf Bewährung frei herumlaufen.

In  Oberursel hatte sich niemand über mich beschwert. Vielmehr war es so, dass eine relativ neue Angestellte der Ordnungspolizei meinte, ihren Job "richtig" machen zu müssen. Nachdem ich allen ihren Aufforderungen nicht nachkommen wollte, rief sie per Smartphone eifrig nach der Kavallerie. Nachdem ich der Aufforderung der Polizei den Platz zu räumen ebenfalls nicht nachkam, wurde ich abgeführt und auf die Wache gebracht. In der Zwischenzeit wurden meine Sachen nicht von der Polizei beschlagnahmt, sondern eben von der eifrigen Angestellten und ihren Kollegen. Am Montag durfte ich dann meinen Krempel auf dem Ordnungsamt abholen.

Der Grund, warum ich das Ganze überhaupt gemacht habe: ich wollte mal sehen, was passiert. Schon seit Jahren werden wir (seriösen) Straßenmucker durch die Gegend gescheucht und müssen jeden Scheiß, den sich irgendeine Behörde ausdenkt befolgen. Ich dachte mir: Nee, jetzt ist Schluss! Ich wollte zivilen Ungehorsam leisten. Das habe ich den Polizeibeamten auch gesagt. Daraufhin gab es eine hitzige Debatte nicht nur zwischen mir und den Ordnungshütern, sondern auch zwischen den Passanten. Es hatte sich nämlich schon eine etwas größere Menschenmenge angesammelt. Einige hatten ihre Smartphones gezückt und begannen zu filmen. Der gemeinsame Tenor war: "Lasst den Mann in Ruhe!" Doch das interessierte die Polizei relativ wenig. War auch nicht anders zu erwarten. Einer der Beamten meinte: "Wo kämen wir denn hin, wenn jeder machen würde was er wollte?" Nun, ich mache was ich will: Musik. Auch einer der Passanten meinte, nicht jedem würde meine Musik gefallen. Natürlich gefällt sie nicht jedem aber das heißt noch lange nicht, dass ich deshalb aufhören müsste, zumal sich auch niemand über mich beschwert hatte.

All das ist für mich nichts ungewöhnliches. Ich habe schon heftigere Sachen erlebt und bin Kummer gewohnt. Zwei Wochen später stand ich an gleicher Stelle und spielte drei Stunden am Stück. Mein ziviler Ungehorsam kostete mich 55,00 Euro. Das war es mir wert.

Übrigens: Nachdem ich ein paar Tage später meine Sachen abholen durfte, fuhr ich danach geradewegs zu einer örtlichen Zeitung. Ich redete kurz mit einer Journalistin und erklärte ihr den Sachverhalt. Sie versprach, sie würde sich bei mir melden. Das ist drei Wochen her und bis jetzt ist noch nichts passiert. Ich erwarte auch nicht mehr, dass sie sich meldet. Scheinbar gibt es wichtigere Dinge, z.B. den Bericht über die jährliche Feier des Hasenzuchtvereins ...

edit 01.09.2018: Besagte Zeitung hat sich gemeldet. Wir machten ein Telefon-Interview. Mal sehen, ob sie es bringen. Heute geht's wieder nach Oberursel.


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