Während meiner Wanderung sind mir viele Gedanken durch den Kopf gegangen. Vergangenes, gegenwärtiges und was wohl noch kommt. Was habe ich falsch gemacht und was fange ich mit meinem Leben an? Was meine musikalische Karriere angeht, mache ich mir überhaupt keine Illusionen: der Zug ist schon längst abgefahren und ich habe ihn verpasst. Auf der einen Seite deprimierend, auf der anderen irgendwie beruhigend. Ich muss mir deswegen keinen Stress mehr machen. Die Gründe, warum ich den Zug verpasst habe sind vielfältig und die Schuld daran liegt allein bei mir. Einer der wichtigsten Gründe ist wohl der, dass ich nie Lust hatte ein Teil des Unterhaltungszirkuses zu sein. So jemand wie ich, der eher dazu neigt Leute zu provozieren und vor den Kopf zu stoßen ist nicht gerade der ideale Kandidat für eine erfolgreiche Laufbahn im Musik business. Ich käme mir vor wie der berühmte Elefant im Porzellanladen. Wenn ich mir die heutige Musikbranche so ansehe, bin ich auch froh drum.
Als ich noch jung war, wollte ich der beste Akutikgitarrist ala Leo Kottke werden. Das war in den Achtzigern. Schon damals war die Szene für akustische Gitarrenmusik in Deutschland eher bescheiden. Heute kann man sie getrost vergessen. Es gibt sie sogut wie nicht. Wann war Leo Kottke das letzte Mal auf Tour in Deutschland? Ich kann mich nicht erinnern. Wie sieht es mit den Umsatzzahlen renomierter deutscher Musiklabels aus, die sich auf akustische Musik spezialisiert haben wie z.B. Acoustic Music Records von Peter Finger? Wozu diese CD's überhaupt kaufen? YouTube ist voll davon!
Gilt aber auch für andere Musiksparten. Noch nie war Musik so billig wie heute. Was Bands und live-Musik angeht ist Deutschland Niemandsland. So richtig bewusst wurde mir das, als ich aus Irrland zurück kam. Während dort noch dank der irish-trad Szene und dem Tourismus eine z.T. funktionierende live-Musik-Szene existiert, ist sie in Germanistan sogut wie nicht vorhanden. Was hier läuft ist ausgemachter Schrott. Von klassischer Musik mal abgesehen beschränkt sich Deutschlands musikalische Identität auf Helene Fischer und Blasmusik auf dem Lande. Wer das Gegenteil behauptet ist ein Arschloch und kann mich mal. Besagter Zug ist in diesen Bahnhof eingefahren und ich bin froh nicht eingestiegen zu sein.
Die Wahrheit ist: ich hatte nie das Talent ein zweiter Leo Kottke zu werden, geschweige denn ein eigener, individueller Künstler auf der Gitarre zu sein. Ich bin einfach nur ein durchschnittlicher Gitarrist. Einer von vielen. Das ist alles. Wahre Künstler machen ihr Ding und können nicht anders. Ich gehöre definitiv nicht dazu. Was soll's, die Welt dreht sich trotzdem.
Wie geht's weiter?
Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich die Musik und das Gitarrespielen immer noch liebe und versuche mich irgendwie durchzuwurschteln, was sich darauf beschränkt in der Fußgängerzone zu spielen. Komischerweise treffe ich dort Leute, die größere Musikliebhaber sind als bei irgendwelchen Auftritten. Mal ganz abgesehen davon, dass ich schon seit Jahren nicht mehr aufgetreten bin, weil mir die Leute bei diesen Auftritten einfach nur auf den Sack gehen und ich nicht den Animateur machen will. Früher konnte man sein Repertoire einfach runternudeln und gut wars. Heute bekommt man eine Wunschliste bevor es überhaupt losgeht. Früher war man der Star, heute sind die Leute die Stars und feiern sich selbst. Früher war die Musik zu leise, heute ist sie zu laut, weil das Publikum sich doch lieber unterhalten möchte. Wenn man dann zwischendurch mal hinhört über was sie sich unterhalten, würde man am liebsten sein Zeug zusammenpacken und nach Hause fahren. Natürlich macht man das nicht, schließlich geht's um die Kohle. So ändern sich die Zeiten und ich bin nicht bereit, diesen Scheiß mitzumachen. No thanks ... und für einen richtigen Job bin ich einfach nur zu faul. Ist nicht mein Ding.
Letztendlich interessiert es heute keine Sau mehr, ob ich Gitarre spiele und was ich für Musik mache, außer ich würde viel Geld damit verdienen und selbst dann bestünde das einzige Interesse wohl in der Frage: wieviel? Von daher: wenn ich Glück habe, bleiben mir noch dreißig Jahre. Ich mache das Beste daraus. Natürlich könnte man sagen: du musst dich anpassen. Es gibt ein altes Sprichwort: ein junger Ast lässt sich biegen, ein alter bricht. Ich bin jetzt 54 und lasse mich nicht verbiegen. Hätte ich mich jemals anpassen wollen, wäre ich heute Immobilienmakler.
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