Da lese ich über den Niedergang der E-Gitarre. Auslöser dafür war ein Artikel der Washington Post Why my guitar gently weeps: The slow, secret death of the six-string electric and why you should care. Ein riesengroßer Aufreger im Netz bei allen Gitarristen. Es streiten sich die Gemüter darüber, ob das stimmt oder nicht. Teilweise musste ich lachen als z.B. der Eine oder Andere meinte, es wäre nicht so. Mal abgesehen davon, dass es z.Zt. wichtigere Dinge gibt als die E-Gitarre, zeigt dieses Palaver doch auf wunderbare Art und Weise mal wieder wie blöd doch viele Gitarristen sind. Unter allen musikmachenden Menschen sind Gitarristen wohl diejenigen, die all das vereinen, was man zum Musikmachen nicht braucht: Neid, Missgunst und Hass.
Das kommt wohl daher, dass die E-Gitarre ursprünglich ein Symbol für Freiheit & Revolution war und dass jeder Rock&Roller, der sich ein solches Teil umhängte den Heldenstatus für sich beanspruchte. Diese Zeiten sind schon lange vorbei und wenn ich mir heute die vielen Gitarristen auf YouTube ansehe, wie sie zuhause in ihren Wohnzimmern die Gitarren quälen, dann bestätigt das nur um so mehr meine Theorie, dass der Rock & Roll und seine Gitarrenhelden schon lange Schnee von gestern sind. Da hilft auch kein neues, revolutionäres Equipment. Genau das macht den heutigen Gitareros zu schaffen. Der R&R ist tot und es interessiert im Grunde keine Sau. Die neuen Helden sind DJ's, die zwar überhaupt kein Instrument spielen können, trotzdem aber bis zu 700.000 Dollar für einen Auftritt kassieren und die Menge begeistern. Das sind die neuen Helden. Es geht nicht mehr darum, ob man ein Instrument beherrscht und wunderbare Musik spielt, sondern wie man es fertig bringt mit Scheißmucke soviel wie möglich abzusahnen.
Und wenn ich dann noch das jüngste Interview mit Chris Norman lese, wo er sich selbst als Rock&Roller bezeichnet und sich zurecht über die heutige Musikszene mokiert, dann fällt mir garnix mehr ein: Chris Norman, der Sänger von Smokie ein Rock & Roller?! Muahahaaa !!! Natürlich hat er Recht, wenn er sagt, dass ihn mit der heutigen Musikindustrie nicht viel verbindet. Außer natürlich sein neuer Comeback-Versuch, mit dem er auf die alten Tage nochmal richtig absahnen will.
Aber hey, verglichen mit dem, was heute so läuft IST Chris Norman ein Rock&Roller.
Ich bin froh, dass ich mit dieser ganzen Mischpoke überhaupt nix am Hut habe. Hatte ich nie und werde ich auch nicht. Jedesmal, wenn ich mir eine Casting-Show ansehe tut es mir hinterher einfach nur leid. Die Musikindustrie kann mich kreuzweise.
Fortsetzung am nächsten Morgen:
Jetzt wird mir vielleicht jemand entgegen halten: "R&R never dies!" (Neil Young) blabla ... Aber ja doch, sage ich! Es ist garnicht so lange her, da wurde er noch künstlich am Leben erhalten. Heute ist R&R eine Mumie, die aus rein wirtschaftlichen Gründen gehegt, gepflegt und zur Schau gestellt wird. Schließlich gibt es da noch uns alte Säcke, die gerne in das Rock-Museum pilgern und uns die Nase am Schaukasten plattdrücken, damit wir noch einen Blick drauf werfen können bevor wir den Löffel abgeben. Denn wenn es uns nicht mehr gibt, wird R&R entgültig zu Grabe getragen. Davon bin ich überzeugt.
"Du bist aber negativ!" ist ein Spruch, den ich ab und zu mal höre. Natürlich bin ich negativ, denn es gibt überhaupt keinen Grund zu jubeln. Weder hier, noch in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens. Nicht, dass es mir nicht gut geht. Mir geht es blendend. Doch ich sehe was dort draußen passiert und weigere mich so zu tun, als ob alles in Butter wäre. Ist es nämlich nicht. Die sog. "positive Einstellung" überlasse ich daher anderen.
Doch zurück zum Thema: Es wurden noch nie so viele Gitarren gebaut wie heute. Ich frage mich, für was? Ich liebe Gitarren und könnte mir jeden Tag eine neue kaufen, doch wozu? Die Musikindustrie ist total im Arsch und das Geschäft mit Gitarren sowieso. Komischerweise redet niemand gerne darüber. Mittlerweile bekommt man bei Thoman Harley Benton-Gitarren fast geschenkt. Ich selber habe mir erst kürzlich eine Akustische für die Straße gekauft. Kostenpunkt: 189 Euro. Das Bundieren meiner alten Tanglewood hätte 250 Euro gekostet. Die Neue hat alles was ich brauche und ich liebe das Teil. Es ist meine Lieblingsklampfe. Ich hege und pflege sie genauso wie meine teuren. Eigentlich ist es die beste Gitarre, die ich jemals hatte. Für das Geld gab es früher nur Schrott. Wir jungen, ahnungslosen Anfänger haben uns damals eine teure Martin vom Mund abgespart und zig Tausende dafür hingelegt, damit der CEO besagter Firma mit einem Ferrari durch die Gegend fährt. Heute werden die Dinger in China und sonstwo produziert. Ähnlich wie bei Billigschuhen, die in Kalkutta von Kindern gemacht werden, die barfuß durch Chemikalien waten, sollte jeder für sich selbst entscheiden, ob er so etwas kauft oder nicht. Ich trage Markenschuhe, die mir gut tun. Aber die kosten auch nicht 3.000 Euro. Eine gute Fender- oder Gibson Gitarre dagegen schon. Die Billigen sind Scheiße und im Vergleich zu Harley Benton noch viel zu teuer. Und während besagten Firmen langsam aber sicher die Luft ausgeht, freut sich der hiesige Verbraucher und die Chinesen. Schließlich leben wir in einem kapitalistischen System, nicht wahr? Der Hersteller verlegt seine Produktion dorthin, wo es billiger ist und ich freue mich über meine günstige Harley Benton. Ich helfe den Chinesen und die wiederum helfen mir. Kann das Genöle darüber überhaupt nicht nachvollziehen. Welverbesserer sind die, die es sich leisten können. Ich kann es nicht.
Fortsetzung am übernächstem Morgen:
Zusammenfassend kann man sagen, dass wenn die weltweite Gitarrenproduktion sofort gestoppt würde, es immer noch genügend Gitarren gäbe für den Rest der Menscheit bis ans Ende aller Tage. Trotzdem werden die Dinger weiterhin gebaut. Warum? Weil kaufen, kaufen, kaufen. Ähnlich wie bei Autos produziert man bis zum Sankt Nimmerleinstag, ob man es braucht oder nicht. Höher, schneller, weiter. Während alte Stars wie Eric Clapton ihre Gitarrensammlungen veräußern und den Erlös einem guten Zweck zukommen lassen, kaufen neue Stars wie Joe Bonamassa alte Gitarren und richten sich ihr eigenes Museum ein. Das Karussel dreht sich weiter in der Hoffnung, dass zwischendurch neuer Nachwuchs zusteigt. Ist ja auch gut so. Schließlich geht es hier auch um so etwas wie Musik und das ist immer noch besser als die Massenproduktion von Smartphones. Ich schraube mir meine E-Gitarren selber zusammen, sammle Effektpedale, kaufe günstige Akustikgitarren bei Thoman und verbessere ständig mein Equipment. Das gehört zu meinem Job als Profimucker und ist gleichzeitig mein Steckenpferd. Was soll ich auch sonst machen? Im Gegensatz zu früher versuche ich nicht soviel dafür auszugeben, was mir jedoch nicht immer gelingt.
Fortsetzung am nächsten Übermorgen:
Gestern abend hatte ich einen Gig in Wetzlar. Weil die A5 dicht war fuhr ich über den Feldberg nach Schmitten, Usingen und Butzbach bei Schneetreiben und vereisten Straßen. Ich habe zwei Stunden gebraucht. Zum Glück ist nix passiert. Ich schleppte fünf Koffer, zwei Gitarren und PA (Gesangsanlage) aus dem Auto, baute auf und später wieder ab. Allein das dauerte jeweils eine Stunde. Da stand ich also in der kleinen Kneipe am Eisenmarkt mit meinem ganzen Krempel auf einer klitzekleinen Bühne und spielte drei Stunden ohne Festgage nur für den Hut. Zwischendurch fragte ich mich immer wieder, wie bescheuert bin ich eigentlich? Ich hatte zwar einen geilen Sound aber der Aufwand war viel zu groß. Doch der Laden war voll, die Stimmung grandios. Seit zwei Jahren hatte ich keinen Auftritt mehr gespielt und wollte einfach mal wieder an die Front. Es war zwar Sau anstrengend aber irgendwie geil. Dafür lebe ich. Ich weiß zwar nicht wie lange noch aber wer weiß das schon?
Den gleichen Aufwand hatte ich bei meinen Gigs in Irrland. Als ich einmal im Temple Gate Hotel spielte, witzelte der Manager darüber: "Jesus, das sieht ja aus wie bei einem U2-Konzert!" Rationell gesehen macht das Ganze überhaupt keinen Sinn, doch ich mache es trotzdem. Es ist das ganze Paket: meine Backingtracks, die ich zuhause im Studio produziere, mein geiles Equipment, der geile Sound, das Publikum, die Show, mein Spiel. Wenn auch noch das Geld stimmen würde, wäre alles gut. Doch meistens stimmt das Geld nicht und wenn dann auch noch eines der Paketinhalte nicht stimmt, kann der Auftritt ganz schnell richtig Scheiße werden. Und trotzdem geht man immer wieder hin und macht es wieder. Ich glaube, das können nur eingefleischte Musiker verstehen und zeigt, wie bekloppt wir doch sind. Aber so isses halt. Solange ich atme und meinen Kadaver morgens aus dem Bett hieven kann, wird es wohl so weitergehen. Bis zum bitteren Ende.
Wind whistling"Lost in Innocence" by Michaela Remmel
Snow glistening
We try not to
But we're all listening
In diesem Sinne ...
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