Samstag, 28. August 2021

Memory Lane

Vor einer Woche bin ich nach langer Zeit mal wieder nach Frankfurt gefahren. Ich wollte mal sehen, wie sich Frankfurt nach all den Jahren verändert hat. In den Achtzigern habe ich zwei Jahre auf dem Hochs Konservatorium klassische Gitarre Studiert und danach vier Jahre Musikpädagogik auf der Uni. Das war auch die Zeit als ich anfing auf der Zeil Straßenmusik zu machen. Später dann auf der Bergerstraße in Bornheim und auf der Leipziger in Bockenheim. Ich habe sehr viele, schöne Erinnerungen an diese Zeit.

Ich fuhr also zuerst nach Bornheim und besuchte meinen alten Freund Adi in seinem Musikgeschäft Musikhaus Bornheim. Zusammen mit seiner Frau Rosi verbrachten wir drei Stunden beim Essen und Kaffee, unterhielten uns über alte Zeiten und was z.Zt. so läuft. Danach lief ich die Berger runter Richtung Konstabler Wache. Es war die Hölle los! Also genau so wie früher. Auf der Zeil die üblichen Gestalten: ein Quetschkommodenquäler, Bettler, Säufer, Punks. Kein einziger, guter Straßenmusiker weit und breit. An der Hauptwache bog ich dann links ab und ging runter zum Römer. Meine Mutter arbeitete dort jahrelang bei der Stadt in der Buchhaltung. Danach gings wieder zur Hauptwache, am ehemaligen 2001 vorbei, wo wir früher immer Schallplatten und Bücher bekamen, die es sonst nirgendwo gab. Heute steht dort so gut wie jeder Laden leer. Von der Hauptwache die Fressgasse (den Arizona Shop gibt es immer noch und das mittlerweile seit 45 Jahren!) runter zur alten Oper und dann auf der Bockenheimer bis zur Uni. Ehemalige Uni, wohlgemerkt, weil die neue Uni befindet sich jetzt im Westend. Ich stand da an der Bockenheimer Warte und sah mir die alten Uni-Gebäude an: den Labsaal, das Hauptgebäude und mein altes Institut (wo immer noch was stattfindet), ziemlich runtergekommen und leer. Irgendwann reißen sie alles ab und bauen dort Wohnhäuser. Ich ging dann noch die Leipziger runter und setzte mich in ein Kaffee. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein geschlossenes Linksradikal-Kaffee mit den üblichen Graffiti und Mao-Sprüchen, davor ein Haufen Sperrmüll, wo gerade eine Frau mittleren Alters eine Decke rauszog, sich diese dann unter den Arm klemmte und davon stapfte.

Ich saß ungefähr eine halbe Stunde dort und reflektierte über das, was ich gesehen habe. Ehrlichgesagt hatte ich es mir schlimmer vorgestellt. Frankfurt ist eine schöne Stadt. Erinnert mich an Berlin: pulsierendes Leben und freundliche Menschen. Es gibt jede Menge Restaurants, Kaffees, Bars, Parks, Grünanlagen, wo man tagsüber chillen kann. Das Nachtleben ist natürlich auch nicht schlecht. Gestern waren meine Süße und ich peruanisch Essen im La Cevi. Sollte jeder mal ausprobieren: Ceviche und dazu ein Glas Pisco Sour.

Doch was ist heute anders als damals?

Nun, heute gibt es wie in jeder anderen Stadt jede Menge leere Geschäfte. Bei den "Großen" läuft's auch nicht mehr so gut. Es gibt Handy Shops, Friseure, Sonnenstudios, Sport- und Fahrradläden, gebrauchte Haushaltswaren. Was mir besonders gut gefällt sind die Kaffees, wo man sein kaputtes Handy, Laptop, Computer oder sonst was elektrisches hinbringen kann, wo es dann repariert wird. Die meisten dieser Läden werden von Türken betrieben, die geschäftstüchtigsten Leute weit und breit. Vor ein paar Tagen habe ich Straßenmusik in Rüsselsheim gemacht. Gefühlte 90% der Einwohner sind Ausländer. Alles nette Leute: vor allem die Türken. Ich habe dort nur einen halben Tag gespielt und war seit einem Jahr nicht mehr da aber die Leute haben mich begrüßt wie einen alten Freund.

Es ist also nicht alles doom and gloom. Unsere deutschen Städte sind (noch) nicht so runtergekommen wie z.B. in den USA. Die Menschen, egal welcher Nationalität leben und arbeiten zusammen in einer gewissen Harmonie. Das habe ich in der kurzen Zeit gespürt und es gibt mir ein gutes Gefühl.

Was mir jedoch aufgefallen ist, dass es im Gegensatz zu früher heute keine Kunst mehr auf den Straßen gibt. Damals auf der Zeil in den Achtzigern gab es ein buntes Treiben von Straßenmusikern und Performern. Während die Andenquäler in ihre Panflöten bliesen, verkauften die Muttis Al Paca Pullover und Schmuck. Bands in voller Montur haben täglich auf der Zeil gespielt. So gut wie alles war erlaubt.
 
Damals war die CDU an der Macht und es ging wesentlich bunter zu als heute unter den Rot-Grünen, die sich als bunt-tolerant verkaufen aber genau das Gegenteil davon sind. Heute braucht man für jeden Scheiß eine Genehmigung. So eine Szene wie damals wäre heute undenkbar. Egal in welcher Fußgängerzone. Die Zeiten sind vorbei.

Ich fuhr dann mit der U-Bahn wieder zurück nach Bornheim Mitte, wo ich mein Auto geparkt hatte. Auf der Heimfahrt dachte ich mir: es hat sich vieles verändert aber nicht alles ist schlecht. Es ist anders und ich als Straßenmucker passe mich den Gegebenheiten an. Das habe ich schon immer getan, denn wenn ich es nicht tue, bin ich weg vom Fenster. Früher war vieles einfacher. Man war jung, hatte mehr Energie und vor allem: Träume! Viele dieser Träume wurden Wirklichkeit. Einige jedoch nicht. Damit kann ich gut leben. Ich bin gesund, mir geht es gut, habe ein schönes Zuhause, eine tolle Frau. Geld kommt und geht und ist nicht immer das Wichtigste für mich gewesen. Mal habe ich ein volles Konto, mal bin ich total pleite. So what?

Fazit: ich werde mich demnächst öfter in meiner alten Stadt Frankfurt rumtreiben.



Alte Oper


Labsaal (Mensa)


Alte Uni Haupteingang


Altes Muskpädagogik Institut


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