Montag, 28. Februar 2011

Goodbye my Love ...




Blümchen hat als Administrator im Irlandforum.de das Handtuch geworfen! Ich habe deswegen den Blog irlandinside-my-ass stillgelegt. Macht ja so keinen Spaß mehr! Es haben sich ja einige Leute bei Google darüber beschwert irlandinside-my-ass wäre zu anstößig. Kann ich überhaupt nicht nachvollziehen! Aber ich möchte diesen Leuten folgendes mitteilen: Der Blog wurde stillgelegt, nicht gelöscht. Wenn ihr mich also weiterhin ärgert, mache ich ihn wieder auf!

Und jetzt noch ein Nachruf an Blümchen. Oder um es mit Demis Roussos Worten zu sagen:

hear the wind sings a sad old song
it knows I'm leaving you today
please don't cry oh my heart will break
when I'll go on my way

goodbye my love goodbye
goodbye and au revoir
as long as you remember me
I'll never be too far
goodbye my love goodbye
I always will be true
so hold me in your dreams til I come back to you
see the stars in the skies above
they'll shine wherever I may roam
I will pray every lonely night
that soon they'll guide me home

goodbye

*schluchz*

Freitag, 25. Februar 2011

Matratze

Wie bekomme ich eine Matratze günstig von Deutschland nach Irland geliefert? Das ist die Frage, die uns im Moment sehr beschäftigt! Auf jeden Fall mehr als die komischen Neuwahlen, die heute stattfinden und bei denen sich hierzulande sowieso nichts ändern wird.

Die Matratze hat eine Größe von 1,6 auf 2 Meter, ist aufgerollt und 80cm hoch. Was sie wiegt kann ich nicht sagen, soll aber leicht sein.

Bevor jetzt irgendjemand die Frage stellt, ist es wirtschaftlich sinnvoll: ja, es ist! Belassen wir es also dabei.

Also nochmal: wie bekomme ich das Ding günstig nach Irland geliefert?!

Montag, 21. Februar 2011

Musik: Irland II


Die heißen Mädels von Wexford!



Mein erster Pubgig in Irland!



Wexford
Am nächsten Morgen ging ich zur Central Bus Station, kaufte ein Ticket nach Wexford und sagte Dublin goodbeye. Ich war froh aus dieser Stadt raus zu kommen. Auf den ersten Blick hatte es mir dort überhaupt nicht gefallen. Mir fehlte die Zeit und auch das nötige Kleingeld, um diese Stadt besser kennenzulernen. Außerdem wollte ich den Rest des Landes bereisen. Wäre ich nur eine Woche in Dublin geblieben, wären meine Finanzen aufgebraucht gewesen. Ich hoffte, dass es woanders mit der Straßenmusik besser klappen würde. Während der Fahrt ließ ich in Gedanken den gestrigen Tag Revue passieren. Ich hatte in Dublin so gut wie keine Restaurants, Cafes oder Pubs gesehen wo man draußen sitzen konnte, von Biergärten ganz zu schweigen. In einem Land wo es so gut wie ständig regnet, spielt sich ein Großteil des Lebens drinnen ab. Außerdem war alles schweineteuer! Einen Kebab für ein paar Euro suchte man hier vergebens. Selbst wenn man in einen Supermarkt ging, um sich dort etwas kostengünstiger zu versorgen, war es mindestens doppelt so teuer wie in Deutschland. Das machte mir Sorgen. Ich fragte mich, ob es in Irland überall so teuer sei.

Ich schaute aus dem Fenster und betrachtete die Landschaft. Wir fuhren in südliche Richtung, raus aus der Stadt. Es dauerte eine ganze Weile, doch langsam verschwanden die Hochhäuser, Autobahnen und Schnellstraßen. Wir blieben in der Nähe der Küste und bald konnte ich wunderbare Aussichten von den grünen Hügeln runter auf das Meer genießen. Auch bewunderte ich die wunderschönen Häuser, die weit verstreut in die Landschaft gebaut wurden. In Deutschland undenkbar, hier anscheinend Normalität. Ab und zu sah ich auch ein Cottage, doch eher selten. In kleineren Städten oder Ortschaften standen alte und vor allem bunte Häuser entlang der Straße. Außerhalb der Stadt machte die Umgebung einen ruhigen und gemütlichen Eindruck auf mich.

Nach ein paar Stunden erreichten wir Wexford Town am River Slaney. Wexford Town ist eine kleine Hafenstadt mit ungefähr 18.000 Einwohnern in der gleichnamigen Grafschaft. Als ich dort ankam war es noch ein relativ ruhiges, beschauliches Nest mit einer lebhaften Hafenpromenade und einem alten Stadtkern aus der Zeit der Normannen. Der Hafen hatte allerdings keine große Bedeutung mehr, da er versandete. Zwei Jahre später wurde das Key West Centre am Kai-Ufer sowie das White's Hotel im Zentrum gebaut. Damit wollten die Stadtplaner Wexford einen internationalen Touch verleihen und mehr Touristen anlocken.

Ich lief voll bepackt von der Bushaltestelle über die 400 Meter lange Brücke auf die andere Seite des River Slane, den Hügel hinauf zum Camping-Platz. Dort suchte ich mir eine schöne Stelle mit Blick auf das Meer und baute zum ersten Mal mein Zelt auf. Das Wetter war herrlich, die Luft sauber und klar. Es wehte ein leichter, warmer Wind. Ich fühlte mich pudelwohl. So um die Mittagszeit ging ich mit meinem Gitarrenkoffer in der Hand zurück über die Brücke Richtung Stadtmitte und fing an zu spielen. Ich stand am Bullring vor der Pikeman Statue, direkt gegenüber der Undertaker Bar.

Der Bullring von Wexford City ist berühmt wegen seiner Geschichte. Dort wurde von den Normannen die Bullhatz betrieben, daher auch der Name. Der berühmte Engländer Oliver Cromwell veranstaltete ein Massaker am Bullring, als er im 17. Jahrhundert 5000 Menschen hinrichten und die Stadt bis auf die Grundmauern niederbrennen ließ. Im Jahr 1798 wurde dort zum ersten Mal die irische Republik ausgerufen und seit 1904 erinnert die Pikeman Statue an die Rebellen, die mit Spießen gegen die Engländer kämpften.

Ich stand also am Bullring, die Autos fuhren an mir vorbei und hier und da kam auch mal ein Fußgänger daher, der mir ein paar coins in den Gitarrenkoffer warf. Die Undertaker Bar hatte ein großes Schaufenster zur Straße hin. Drinnen saßen Leute, tranken Bier und beobachteten was draußen so passierte. Neugierig kamen einige vor die Tür. Irgendwann schlenderte einer von ihnen über die Straße zu mir rüber, mit einem pintGuinness in der Hand und fragte, ob ich nicht Lust hätte in die Bar zu kommen. Der Typ hatte eine Glatze und einen konisch geformten Kopf. Er erinnerte mich an die Coneheads des gleichnamigen Films. Ich sagte ich würde auf jeden Fall vorbeikommen, doch vorher müsste ich noch ein wenig Geld verdienen.

„Whenever you’re ready“ meinet er.

Gleichzeitig tauchte ein junges Mädchen auf und legte mir 10 Euro in den Koffer. Conehead schaute verdutzt und warf noch ein paar coins hinterher. Ich dachte wenn es so weitergeht, würde ich auf jeden Fall einen längeren Aufenthalt in Wexford einplanen. In der kurzen Zeit hatte ich schon so um die 30 Euro verdient. Mehr als an einem ganzen Tag in Dublin!Nach ungefähr zwei Stunden ging ich in die Bar. Man begrüßte mich wie einen alten Freund. Die Jungs am Schaufenster riefen mich zu sich rüber und fragten was ich trinken wolle. Mir viel nichts Besseres ein und ich sagte Guinness. Schwupps hatte ich drei volle pints vor mir stehen! Ein pint Guinness ist ein Glas mit 568 ml dunklem irischem Bier, 4,2 % Alkohol und 198 Kalorien. Da standen also mehr wie anderthalb Liter von diesem Gebräu vor mir und ich bezweifelte, dass sich der bekannte Slogan „Guinness is good for you“ in meinem Fall bewahrheiten könnte. Zumal es nicht bei drei pints bleiben würde! Ich muss dazu sagen, ich trinke kaum Alkohol.

„Ich trinke eigentlich nicht so viel“ meinte ich.

Die Jungs schauten mich nur verdutzt an und riefen dann alle gleichzeitig „Pussy, puuussy!“

Als dann auch der Rest der Bar mit einstimmte, gab ich klein bei und trank das erste pint auf ex! Die Menge jubelte und ich fühlte mich großartig! Alle wollten wissen wie ich heiße, woher ich kam und was ich in Irland machte. Jeder stellte sich mit seinem Namen vor. Ich sagte zu Conehead, dass er aussehen würde wie Conehead und ob es ihm was ausmachte, wenn ich ihn so nennen würde. Die Menge fing wieder an zu kreischen und einer viel fast vom Stuhl! Die Stimmung war ausgelassen und ich dachte wenn das doch blos die Ella sehen könnte. Also nahm ich mein Handy rief sie an.

„Schatz, du musst dir das unbedingt mal reinziehen!“ sagte ich. Daraufhin machte ich den Fehler und hielt das Handy in den Raum.

„Meine Frau ist am Telefon“ rief ich. Jetzt fingen wieder alle an zu schreien und bevor ich es wegziehen konnte, kam Conehead ganz nah ran und rief: „You dirty whore!“

„Was war denn das?!“ fragte Ella.

„Nichts, mein Schatz. Ich ruf dich später noch mal an!“ sagte ich und legte wieder auf.

„Du blödes Arschloch!“ sagte ich zu Conehead.

„Ich will deine Gitarre kaufen“ meinte er nur ungerührt „wie viel willst du dafür?“

„Fuck off! Die ist unverkäuflich!“ antwortete ich.

„Dann lass uns tauschen! Ich habe eine sehr schöne Gibson zuhause.“

„No sir, ich gebe sie nicht her!“

Dann kam der Berkeeper und lud mich für den morgigen Abend ein. Es sollte ein sehr guter singer-songwriter spielen und ob ich nicht Lust hätte mit zu machen. Drinks are for free! Ich sagte zu und verabschiedete mich von der Meute. Mit drei pints intus ging ich lachend über die Brücke zurück zum Campingplatz, legte mich in mein Zelt und schlief bis zum Abend.

Es war Samstag Abend und ich war gespannt, wie das Nachtleben in Wexford wohl aussehen würde. Zum x-ten Mal an diesem Tag ging ich mit meiner Gitarre in der Hand über die Brücke und genoss dabei den Sonnenuntergang. Es war gerade Ebbe und kleinere Boote lagen am Ufer im Schlick. Die Möwen kreisten über mir. Ich fühlte mich frei und unbeschwert. Ich lief die Mainstreet hoch zur St Iberius Church und setzte mich direkt davor auf eine Bank, packte meine Gitarre aus und begann zu spielen. Ich blieb dort bis Mitternacht. Es war nicht viel los aber die Leute, die vorbeikamen gaben Geld. Irgendwann tauchte ein junger Typ auf, muss wohl so um die 18 Jahre alt gewesen sein. Er hatte schon einige pints getrunken und wollte unbedingt mit mir zusammen singen. Er machte auch einen auf Animateur, weil er jedem der vorbeiging oder mit dem Auto vorbeifuhr zurief „Kommt rüber und hört euch das an. Der Mann hat Klasse!“ Dann kamen auch zwei junge Mädels und gesellten sich zu uns. Mit einer davon fing er ein Techtelmechtel an. Sie umarmten und küssten sich leidenschaftlich. Ich war fasziniert. Es erinnerte mich an meine Jugend. Bald verabschiedeten sie sich und wünschten mir alles Gute. Auch ich machte mich wieder auf den Rückweg und ging an der Undertaker Bar vorbei. Drinnen spielte eine Rockband, doch war ich zu müde um rein zu gehen. Auf der Brücke leuchteten die Straßenlaternen. Ich dachte, das ist also Irland, welches mir immer beschrieben wurde als das Land der freundlichen Menschen und der Musik. Und ich bin mittendrin. Zurück auf dem Campingplatz legte mich in mein Zelt und schlief sofort ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von einer strahlenden Sonne begrüßt, die direkt in mein Zelt schien. Ich schlug die Zeltplane auf und vor mir lag das glitzernde Wasser der Irischen See. Ich musste die Augen zusammenkneifen. Weit draußen sah ich Segelboote. Der Himmel war wolkenlos und strahlend blau. Es war der schönste Morgen seit meiner Ankunft in Irland. Ich vermisste Ella. Zu gerne hätte ich sie bei mir gehabt.Auf dem Gelände des Campingplatzes gab es ein kleines Bistro und ich machte mich auf dem Weg um zu Frühstücken. Draußen saßen zwei Damen, die mich freundlich begrüßten. Ich hatte einen Bärenhunger und fragte ob ich nicht ein irish breakfast haben könnte. Aber natürlich, meinte die eine und ging in die Küche. Vorher bekam ich noch eine Tasse Kaffee mit Milch und Zucker. Ich saß draußen und sah mich um. Es war Sonntag und nicht viel los. Auch die Stadt lag ruhig und verschlafen auf der anderen Seite des Flusses. Ich überlegte gerade ob es sich wohl lohnen würde heute zu spielen, als auch schon mein Frühstück kam. Das traditionelle irish breakfast besteht aus gebratenen Spiegeleiern, Speck, Schweinewürstchen, Kartoffelpuffern, weißen Bohnen, Weißwurst, Blutwurst, gebackenen Champignons und Tomaten. Dazu gibt es noch weißen Toast und Sodabrot mit Butter und Marmelade. Mit einfachen Worten: es macht das Mittagessen überflüssig. Manchmal sogar auch das Abendessen. Ich schlug zu und aß alles auf. Und wenn ich sage alles, meine ich auch alles, denn am Schluss war nichts mehr übrig. Ich klaubte sogar noch die letzten Krümel des Sodabrotes aus dem Körbchen. Hinterher bestellte ich einen gedeckten Apfelkuchen und eine zweite Tasse Kaffee.

„Na, da war wohl jemand ganz schön ausgehungert. Was darf es denn noch sein?“ fragte die Bedienung.

„Vielen Dank aber ich bin im Moment glücklich und zufrieden! Vielleicht einen frisch gepressten Orangensaft?“ antwortete ich.

Wir kamen schnell ins Gespräch. Ihr Name war Mary. Sie muss wohl so um die 40 gewesen sein, hatte eine rundliche Figur, ein hübsches, freundliches Gesicht und strahlend blaue Augen. Ihr mittellanges, blondes Haar war zu einem Zopf zusammengebunden und sie trug eine Schürze. Ich betrachtete ihre Hände. Sie hatte die typischen Hände einer Frau, die es gewohnt war in der Küche und im Haushalt zu arbeiten: kurze, saubere Fingernägel, die Haut vom Wasser etwas ausgetrocknet und leicht geschwollene Finger. Mir fiel auch auf, dass sie keinen Ehering trug.Nachdem sich ihre Freundin verabschiedet hatte, war ich der einzige Gast und Mary setzte sich kurzerhand zu mir an den Tisch. Manchmal überrascht es mich auch heute noch wie einfach es ist mit den Iren ins Gespräch zu kommen. Es fängt an mit einem hello, how are you? Man redet über dies und jenes. Vor allem redet man jedoch übers Wetter. Das kurze Gespräch wird dann mit einem Witz oder ähnlichem beendet. Mit einem have a nice day geht dann jeder seines Weges. In Deutschland nennt man das leichte Konversation. Die Iren nennen es a nice chat, eine nette Art Hallo zu sagen oder Leute kennen zu lernen.

Iren sind sehr gesellig und neugierig. Wenn sie Zeit haben, kann man sich stundenlang mit ihnen unterhalten. Mary war zwar verheiratet, lebte jedoch von ihrem Mann getrennt. Sie hatte einen Sohn, der noch zur Schule ging. Um über die Runden zu kommen arbeitete sie am Wochenende auf dem Camping-Platz. Sonst hatte sie einen Job als Putzfrau. Nebenbei bekam sie noch Sozialhilfe vom Staat. Von ihrem Mann bekam sie nichts.

Ich erzählte ihr von meiner Familie, warum ich nach Irland kam und was ich vorhatte. Sie gab mir ein paar Tipps. Ich sollte unbedingt nach Cork gehen. Wexford wäre zwar ganz schön aber langweilig. Dagegen sei Cork eine Metropole für Musiker und Künstler. Gerade jetzt liefen Vorbereitungen für das nächste Jahr, wo Cork als die Kulturhauptstadt Europas gefeiert werden würde. Ich könnte dort als Straßenmusiker bestimmt viel Geld verdienen.Es wurde mittlerweile 12.00 Uhr und plötzlich tauchte Conehead auf. Er wollte wissen was auf der Speisekarte stand. Ich rief „Hey Conehead!“ und winkte ihm zu. Er sah mich an, als hätte er mich vorher noch nie gesehen. Da wurde mir klar, dass er sich überhaupt nicht mehr an mich erinnern konnte! Musste also ganz schön dicht gewesen sein. Er blieb dann auch nicht und ging ohne sich zu verabschieden. Soviel dazu, dachte ich.

Gegen 14.00 Uhr schloss Mary ab. Sie hatte eine Stunde Mittagspause und sagte, ich könnte ruhig noch da bleiben. In der Stadt wäre heute eh nichts los.

„Ist es hier immer so ruhig?“ fragte ich.

„Normalerweise schon. Nur wenn ein Spiel oder eine Veranstaltung stattfindet, tanzt hier mal der Bär“ meinet sie.

Sie wollte wissen wie es in Deutschland sei und ich erzählte ihr von meinem Leben als Straßenmusiker, von meiner Familie, von der Gegend in der wir lebten. Sie hörte aufmerksam zu. Auf dem Tisch stand eine volle Karaffe Eistee, die sie immer wieder nachfüllte. Das ging so weiter bis ungefähr 17.00 Uhr. Zwischendurch kam mal ein Gast vom Camping-Platz. Irgendwann verspürte ich den Drang mich zu bewegen und fragte wo man denn hier schön spazieren gehen könnte.

„Einfach links den Strand runter. Dann kommst du irgendwann mal in ein Naturschutzgebiet“ antwortete sie.

Wir verabschiedeten uns. Ich habe Mary nie wieder gesehen. Obwohl es nur eine flüchtige Bekanntschaft war, denke ich trotzdem noch ab und zu and sie und frage mich wie es ihr heute wohl geht. Ich bin seitdem auch nicht wieder in Wexford gewesen.

Das Wetter im Süd-Osten ist für Irland relativ untypisch. Im Sommer ist das Klima beständiger als im Rest des Landes. Die Tage sind angenehm warm, jedoch niemals zu heiß. Die Regenwahrscheinlichkeit ist dort im Sommer am geringsten. Wer einen sonnigen Sommerurlaub in Irland genießen möchte, sollte also in den Süd-Osten fahren. Ich ging zwei Stunden spazieren. Zuerst lief ich den Strand entlang, dann über Wiesen und Felder, wo Kühe und Schafe grasten. Hier und da sah ich ein Schild Private Property - keep out! (Privatgelände – Zutritt verboten!). Der Weg war mehr oder weniger fest vorgegeben. Es war nicht möglich einfach mal so davon abzuweichen. Entweder man lief vorwärts oder man ging wieder zurück. Irgendwann kam ich in ein Vogelschutzgebiet. Das Gelände war umzäunt. Da standen Tische und Bänke, es gab einen kleinen See mit Enten und Schwänen, Schilder wo erklärt wurde welche Vogelarten dort lebten. Alles sehr überschaubar und langweilig. Ich ging den gleichen Weg wieder zurück. Auf dem Campingplatz nahm ich die Iso-Matte und meinen Schlafsack und legte mich vors Zelt. Bald war ich eingeschlafen.

Als ich aufwachte war es schon fast dunkel. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass ich über zwei Stunden geschlafen hatte. Trotzdem hatte ich noch mal soviel Zeit bis ich in den Pub gehen wollte. Vor 22.00 Uhr lief dort eh nichts. Ich kramte mein Tagebuch hervor und begann zu schreiben. Als das erledigt war sah ich mir die Photos auf der Digitalkamera an. Ich war erst drei Tage in Irland und hatte schon jede Menge Bilder. Da brauche ich bald eine neue Speicherkarte, dachte ich mir. Danach kramte ich mein Handy hervor und rief Ella an. Ich erzählte vom heutigen Tag und was noch alles bevorsteht. Lange konnten wir uns nicht unterhalten, wäre sonst zu teuer geworden. Abends vermisste ich sie am meisten! Es gab manchmal Momente, da wäre ich am liebsten sofort nach Hause gefahren. Doch ich war erst am Anfang meiner Reise und aufgeben ging auf keinen Fall! Außerdem war es Tagsüber gar nicht so schlimm. Ich war ja nicht nur zum Vergnügen hier, sondern musste zusehen dass auch etwas Bares rein kam.
Das alles ging mir durch den Kopf als ich vor dem Zelt saß und aufs Meer hinausblickte. Ganz weit draußen sah ich Lichter von Schiffen. Ella und ich waren zu dem Zeitpunkt seit 12 Jahren zusammen. Vor vier Jahren hatten wir am 1. Januar 2000 als das Milleniumsbrautpaar Hessens geheiratet. Eine Traumhochzeit, die wir im HR3 gewonnen hatten. Lange Geschichte. Wir haben zwei Töchter, Jana und Sarah. Seit 12 Jahren mehr oder weniger unzertrennlich, hatten wir schon viele Abenteuer zusammen erlebt. Wird schon Alter, dachte ich mir, das hältst du schon durch und bald bist du sowieso wieder zuhause. Hätte mir zu dem Zeitpunkt jemand gesagt, dass alles ganz anders kommen sollte, hätte ich wahrscheinlich nur gelacht. Doch das Leben ist spannend.

Ich trabte dann wieder über die Brücke Richtung Pub. Dort hatte sich the man of the evening schon eingerichtet. Sein Name ist mir leider entfallen, weiß aber noch genau wie er aussah. Er hatte diesen typischenrockabilly-look: Elvis Frisur mit der Tolle, kariertes Hemd, Levis Jeans mit Aufschlag und biker-boots. Wir stellten uns vor und redeten über dies und jenes. Danach stöpselte ich meine Gitarre ein und los ging’s. Der Laden war gut besucht und die Stimmung ausgelassen. Ich fühlte mich sofort wohl. Rockabilly spielte u.a. Songs von Neil Young, Bob Dylan, Bob Seeger. Ich begleitete ihn, spielte hier und da ein Solo und sang die zweite Stimme. Die Leute fanden es gut und belohnten uns mit Applaus. Ich dachte, wenn das hier immer so läuft bin ich endlich im Paradies angekommen.



Sonntag, 20. Februar 2011

Musik: Irland I

Travels


Auszüge aus meinem (noch unvollendetem) Buch:

Frankfurt, Hanauer Landstraße
Es muss ein Freitag- oder Samstagabend gewesen sein, als ich im Mai 2004 viel zu spät zu einem Auftritt in den Irish Pub nach Sachsenhausen fuhr. Ich war total gestresst und in Gedanken. Die ganze Woche lief es schlecht mit der Straßenmusik, ich hatte kaum was verdient. Am Wochenende davor hatte ich einen Auftritt im Irish Pub Hofheim. Jedenfalls war es so ausgemacht. Als ich dort ankam, hatte bereits eine andere Band ihr Equipment schon aufgebaut. Der Manager hatte aus Versehen zwei acts für einen Abend gebucht. Als ich ihn darauf hinwies, dass mein gig schon Monate vorher ausgemacht war, zuckte er einfach nur mit den Schultern. Eine Entschädigung wollte er mir auch nicht bezahlen. Schließlich waren es hin und zurück 150 Kilometer, die ich wegen nichts fahren musste. Er sagte nur, da kann man nichts machen. Daraufhin hätte ich ihm eine verpasst, wenn nicht eine der Bedienungen dazwischen gegangen wäre! Er schrie irgendwas von einem Baseballschläger und ich schrie, er solle sich das Teil da hinstecken, wo die Sonne niemals hin scheint. Danach fuhr ich wieder nachhause.Das alles ging mir durch den Kopf, als ich mit 90 km/h die Hanauer Landstraße hoch bretterte. Kurz vor dem Radsweg-Kreisel wurde ich plötzlich von einem Infrarot Blitz geblendet. Ich wusste sofort was los war, schaute auf den Tacho und dachte mir „Scheiße!“. Mein zweiter Gedanke war „Das wird teuer!“. Mein dritter Gedanke „Ich verliere den Führerschein!“. Genau in dieser Reihenfolge.
So war es dann auch. Nach zwei Wochen bekam ich den Bußgeldbescheid: über 180 Euro, drei Punkte in Flensburg und einen Monat Führerscheinentzug! Das einzig Gute daran war, dass ich mir den Monat aussuchen konnte. Was mache ich denn ohne Führerschein? Die Antwort lag auf der Hand: reisen! Und zwar genau dorthin, wo ich mit Musik Geld verdienen könnte. Ich wollte schon immer mal nach Irland. Ich hatte sogar schon mal ein Flugticket dorthin. Im letzten Moment überlegte ich es mir anders, gab es wieder zurück und fuhr stattdessen nach Portugal. Freunde rieten mir nach Irland zu gehen. „Das ist genau das Richtige für dich, da wirst du dich wohl fühlen“ hieß es. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen.
Im Juni gab ich meinen Führerschein ab. Ich besorgte mir ein Flugticket nach Dublin, packte meine Sachen und fuhr mit Ella und ihren Eltern zum Flughafen. In der Tasche hatte ich 400 Euro. Mehr war nicht drin. Ehrlichgesagt hatte ich überhaupt keine Lust ohne meine Familie wegzugehen. Doch ein Familienurlaub war aus rein finanziellen Gründen einfach nicht möglich. Es gibt schicksalhafte Momente im Leben, die einem erst viel später klar werden. An diesem Tag spürte ich nichts davon. Ich wollte in vier Wochen wieder zuhause sein, mit reichlich Geld, das uns im nächsten Monat über die Runden bringen würde. Ella war wunderschön. Sie hatte eine neue Frisur. Wir umarmten und küssten uns. Zum Abschied sagte sie: „Komm wieder!“ „Klar komm ich wieder!“ erwiderte ich. Ich kam auch wieder. Aber es sollte alles anders werden.


Dublin
Wenn man das erste Mal irgendwo hingeht, wo man vorher noch nicht war, ist man gespannt wie es wohl dort aussieht. Man fragt sich, was da einen erwartet und wie man dort zurechtkommt. Erwartungshaltungen hatte ich keine. Ich ließ die ganze Sache einfach auf mich zukommen. Bessergesagt ging ich auf die Sache zu, denn kein Mensch wartete dort auf mich. Ich kannte niemanden in Irland. Anlaufstation war die günstigste Jugendherberge im Zentrum Dublins. Den Namen habe ich vergessen. Ich weiß nur noch, dass ein Bett 17 Euro die Nacht kosten sollte. Nach der Landung fuhr ich mit dem Shuttle-Bus vom Flughafen in die Innenstadt. Das erste was mir auffiel waren die dicken Regenwolken und die besonderen Lichtverhältnisse. Am Spätnachmittag war es schon ziemlich dunkel, nur hier und da strahlte die Sonne durch die Wolken und vereinzelte Häuser leuchteten in bunten Farben. Im Zentrum angekommen fing es an zu regnen. Kein Problem. Ich hatte ja meinen großen Regenumhang dabei und streifte ihn einfach über. Als ich mich dann in einem Schaufenster sah, bekam ich einen Schreck. Mit einem großen Rucksack auf dem Rücken, einem kleineren auf der Brust und dem Regenumhang darüber sah ich aus wie der Glöckner von Notre Dame! Quasimodo mit einem Gitarrenkoffer in der Hand. Es war mir peinlich. Außerdem fing ich an zu schwitzen. Als ich dann schweißgebadet vor dem Eingang der Jugendherberge stand, konnte ich endlich den Umhang ablegen. Ich würde ihn auch nicht mehr tragen, jedenfalls nicht so.
An der Rezeption saß ein junger Ire. Ich sagte ihm, ich bräuchte ein Bett für die Nacht und würde eventuell über das Wochenende bleiben. Er sagte, das einzig verfügbare Bett gäbe es in einem dorm (Schlafquartier) mit fünf weiteren Gästen und der Preis wäre 25 Euro pro Übernachtung. Ich wies ihn daraufhin, in meinem Reiseführer sei von 17 Euro die Rede. Das beeindruckte ihn überhaupt nicht. Ich überlegte nur kurz. Es war Donnerstag und wenn ich erst am Montag wieder aus Dublin raus wollte, müsste ich also insgesammt 100 Euro nur für Logis bezahlen. Draußen goss es in Strömen und ich hatte wirklich keine Lust mehr einen auf Quasimodo zu machen, zumal ich auch nicht wusste wohin! Also bezahlte ich für eine Nacht und ging hoch aufs Zimmer.
Nachdem ich meine Sachen untergestellt hatte machte ich mich auf den Weg zur Grafton Street. Laut Reiseführer war das die berühmteste Straße für Straßenmusiker in Dublin. Weil ich am nächsten Tag gleich loslegen wollte, fand ich es ganz sinnvoll zu erkunden wie man dort hinkommt. Der Regen hatte aufgehört und ich war gut drauf. Dublin wirkte auf mich wie jede andere Großstadt: laut und hektisch. Auf den ersten Blick fand ich es dort auch nicht besonders schön. Ich vermisste diesen besonderen Flair, den manche Großstädte haben wie z.B. London, Amsterdam oder Berlin. Das geht mir auch heute noch so. Damit will ich jedoch nicht sagen, Dublin wäre hässlich. Wenn mich jemand fragen würde „Wie findest du Dublin?“ wäre meine Antwort „Neutral“.
Ich war nicht lange unterwegs, denn ich war müde und hatte Hunger. Auf dem Rückweg kam ich an einer anderen Jugendherberge vorbei und wollte dort nach dem Preis fragen. Doch die nahmen wegen Überfüllung überhaupt niemanden mehr auf. Zurück auf meinem Zimmer traf ich auf die anderen Gäste: Frauen und Männer. Ich war überrascht, denn in einem streng katholischen Land trennt man normalerweise Schlafquartiere nach Männlein und Weiblein. So habe ich es zumindest in Spanien und sogar auch in Deutschland erlebt. Es gab drei Etagenbetten, ein Waschbecken und ein Klo. Die Gemeinschaftsduschen befand sich außerhalb des Zimmers den Gang runter. Nachdem ich eine Kleinigkeit gegessen hatte, legte ich mich ins Bett und schlief sofort ein. Mitten in der Nacht flog plötzlich die Tür auf und das Licht ging an! Im Zimmer stand ein junger Typ und glotzte. Ich war ziemlich sauer und sagte ihm, er solle sofort das Licht ausmachen! „Dann sehe ich doch nichts mehr!“ meinte er. „Das ist mir egal und wenn du jetzt nicht gleich das Licht ausmachst gibt es Ärger!“ erwiderte ich.Er putzte sich dann die Zähne im Dunkeln unter dem Licht seiner Kopflampe.
Am nächsten Morgen schnappte ich meine Gitarre und ab ging’s zur Grafton Street. Ich war ausgeschlafen, hatte ein gutes Frühstück und fühlte mich hervorragend. Das Wetter war warm und es schien die Sonne. Die besten Voraussetzungen für Straßenmusik. Ich hatte meine Dobro dabei, eine Blechgitarre, speziell gemacht für Straßenmusik. Laut aber schwer!Als ich so gegen 10.00 Uhr in der Grafton Street ankam, standen dort die Lieferwagen Schlange. Mir fiel auch auf, dass die Geschäfte keine Vordächer hatten so wie in den Fußgängerzonen bei uns in Deutschland. Wäre bei dem Wetter hier eigentlich sinnvoll, dachte ich. Es dauerte nicht lange und ich fand einen guten Platz, packte die Dobro aus und legte los. Die erste Nummer, die ich in Irland spielte war Wild World von Cat Stevens. Es dauerte auch nicht lange und ich bekam meinen ersten Euro von einer sehr netten Dame, die auch sofort wissen wollte, woher ich komme, wie ich heiße und wo es hingeht. So gegen 12.00 Uhr waren die Lieferwagen alle weg und es kamen mehr Leute. Es kamen auch mehr Straßenmusiker. Darunter waren auch Kinder. Jeder einzelne hatte einen Eimer dabei, stellte sich irgendwo hin, den Eimer vor sich auf den Boden und begann zu singen. Manche waren so laut, dass einem die Ohren weh taten. So wie der genau mir gegenüber. Ich suchte mir einen anderen Platz. Doch es wurde immer enger. An jeder Ecke stand mittlerweile ein Straßenmucker oder ein kleiner Schreihals mit Eimer!
So gegen 13.00 Uhr ging ich in ein Cafe. Als ich die Preise sah, wäre ich am liebsten wieder gegangen. Mir schwante jedoch, dass es woanders nicht unbedingt billiger sein würde, eher teurer. Ich bestellte ein Sandwich und eine Tasse Kaffee für rund 10 Euro. Draußen wurde es immer voller und vor allem lauter! Ungefähr alle zehn Meter spielte jetzt ein Straßenmucker. Da waren Puppenspieler, lebende Statuen, Pantomime Künstler, Theaterschauspieler, Straßenverkäufer, Bettler, Flugzettelausteiler. Ich kam mir vor wie auf einem Jahrmarkt. Nur die Eimer-Kids waren verschwunden. Ich dachte, vielleicht gibt es irgendwo eine ruhigere Fußgängerzone, denn in der Ruhe liegt die Kraft. Also lief ich weiter, raus aus der Grafton Street Richtung O’Connel Bridge, auf die andere Seite des Liffey, die O’Connel Street hoch zum Spire of Dublin.
Spire bedeutet u.a. auch Spitze. Und genauso sieht dieses Monument auch aus, wie eine riesige Nadel, die in den Himmel ragt. Der Spire of Dublin wurde im Jahr 2003 gebaut, besteht aus Edelstahl und ist 121,2 Meter hoch. Die konische Form hat an der Basis einen Durchmesser von 3 Metern und verjüngt sich zur Spitze auf 15 cm. Bei Tag reflektiert es das Licht in schillernden Farben. In der Abenddämmerung verschmilzt es mit dem Himmel und ist aus der Ferne betrachtet fast unsichtbar. Nachts wird es dann von unten angestrahlt und ragt wie ein leuchtendes Fanal über der City, like a Monument of light – wie ein Monument des Lichts. Ein faszinierendes Gebilde mit einigen Spitznamen, darunter auch Stiletto of the Ghetto.
Von dort aus geht es in die Henry Street, eine Einkaufsmeile mit Fußgängerzonencharkter. Nicht unbedingt ruhiger aber anders als die Grafton Street. Es gibt dort nämlich keine Straßenmusiker und das kam mir gerade Recht. Ich packte also meine Klampfe wieder aus und spielte ungefähr zwanzig Minuten als plötzlich ein Garda Polizist auftaucht. Es wäre hier verboten Straßenmusik zu machen, meinte er. Ich sollte in die Grafton Street gehen, das wäre genau der richtige Ort dafür. Also packte ich wieder ein und überlegte wohin. Da fiel mir Temple Bar ein. Ich ging also wieder den Weg zurück über den River Liffey und dann rechts am Fluss entlang.
Temple Bar erinnerte mich an Frankfurt Sachsenhausen. Auch hier gibt es kleine, schmale Gassen mit alten Gebäuden aus dem 19.Jahrhundert. Ein Pub reiht sich an den nächsten. Das Ganze ist ein Anziehungspunkt für Touristen, zumal es auch als das kulturelle Zentrum Dublins angepriesen wird. Am frühen Nachmittag waren die Pubs zwar schon offen aber es war noch nichts los. Trotzdem packte ich wieder die Dobro aus, denn in den Gassen liefen ja genug Leute rum. Kaum fing ich an zu spielen, tauchte plötzlich der Manager des Pubs vor dem ich stand auf und schaute mich böse an. Das hier wäre kein Platz zum busken (Straßenmusik), sagte er. Ich fragte ihn dann geradeheraus, ob ich nicht wenigsten eine Stunde hier stehen bleiben könnte. Immerhin wäre ja noch überhaupt nichts los und es würde auch keinen stören. Da wurde der Typ total nett und sagte, das ginge in Ordnung. Wenigstens etwas, dachte ich und machte weiter. Es dauerte nicht lange, da stand auf einmal wie aus dem nichts wieder so ein Eimerkind direkt mir gegenüber und fing an zu plärren! Ich dachte, das darf doch wohl nicht wahr sein! Hinter mir kam der Manager mit einem seiner bouncer (Rausschmeißer) wieder zum Vorschein. Ich hörte gerade noch wie der bouncer fragte, was ich denn hier soll. Das wär schon in Ordnung, meinte der Chef, es wäre ja nur für eine Stunde. Das Eimerkind beachteten sie überhaupt nicht, obwohl es sich die Seele aus dem Leib schrie. Ich sollte erst viel später erfahren, dass diese Plagegeister Kinder der Irisch traveller-comunity waren.
Ich zog die Stunde durch. Der kleine Plagegeist war auf einmal wieder verschwunden. Es wurde mittlerweile 15.00 Uhr und ich musste mir einen neuen Platz suchen. Doch diesmal war ich ratlos. Ich hatte überhaupt keinen Ahnung wohin ich gehen sollte! Zum x-ten Male lief ich über die O’Connel Bridge. Ich wollte zurück in die Jugendherberge und mir überlegen was ich mit dem Rest des Tages anfangen sollte. Vielleicht könnte mir ja irgendjemand dort einen Tipp geben, wo man sonst noch Straßenmusik machen könnte. Ich war gerade auf halben Weg Richtung Spire, als ich plötzlich vor dem Eingang eines großen Einkaufszentrums stehen blieb. Da war jede Menge los. Leute liefen mit Einkaufstüten die Treppe hoch und runter. Manche saßen auf der Treppe rum und ließen es sich gut gehen. Das ist genau die richtige Stelle, dachte ich. Komisch nur, dass mir die nicht früher aufgefallen war. Schließlich bin ich hier ein paarmal schon vorbeigelaufen. Ich setzte mich auf die Treppe, legte los und spielte bis 18.00 Uhr. Die Reaktion der Leute war grundsätzlich positiv. Es herrschte zwar keine Begeisterung aber es war auch niemand feindseelig mir gegenüber. Ich fühlte mich wohl. Vor uns brauste der Straßenverkehr, Leute hatten Feierabend und gingen nach Hause. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Ich hatte zwar Mühe mich in dieser Geräuschkulisse durchzusetzen, doch man ließ mich gewähren. Außerdem gab es keine Konkurrenz.
Zurück in der Jugendherberge ging ich erst mal zur Rezeption, um eine weitere Nacht zu buchen. Diesmal saß dort ein Inder oder Pakistani. Es war auf jeden Fall kein Ire. Ich sagte, ich würde gerne noch eine Nacht bleiben.„No problem“, meinte er, „das kostet 17 Euro“. Ich schaute verdutzt drein und sagte ihm, dass ich gestern für das gleiche Bett 25 Euro bezahlt hätte! Da fing er an zu grinsen und schüttelte den Kopf.
„Im dorm kostet jedes Bett 17 Euro, nicht mehr und nicht weniger“, erwiederte er.
Für ihn war die Sache damit erledigt. Ich ging hoch auf mein Zimmer und war stinksauer. Da hat mich dieser Typ gestern doch glatt übers Ohr gehauen! So eine verdammte Scheiße! Das nächste Mal lasse ich mir die Preisliste zeigen, dachte ich. Nochmal passiert mir das nicht! Ich setzte mich auf mein Bett und fing an das Geld zu zählen, das ich den ganzen Tag über verdient hatte. Es waren genau 20 Euro! Ich wunderte mich nicht. Das war Typisch für eine Großstadt. Viel Hektik und Stress, dafür wenig Geld. Trotzdem war es schon krass. Da bin ich den ganzen Tag mit der schweren Dobro durch die Gegend gelaufen und habe mir den Arsch abgespielt für 20 Euro! Das kann’s ja wohl nicht sein, dachte ich. Wenn ich noch länger hier bleibe, gebe ich mehr Geld aus als ich verdiene! Da wurde mir klar, dass ich am nächsten Tag Dublin verlassen würde. Ich nahm meine Landkarte und suchte mein nächstes Ziel. Es war Wexford.

Freitag, 18. Februar 2011

Du isst das jetzt auf ...

... sonst bekommst du was hinters andere Ohr! So oder so ähnlich könnte man es dem Obdachlosen in Co.Kildare gesagt haben, nachdem er von einer Gang fast zu tode geprügelt wurde. Dabei rissen sie ihm ein Ohr ab und zwangen ihn es zu essen!

In unserem Bekanntenkreis wurde letztens ein Pole aus seinem Auto (mit polnischen Kennzeichen) gezerrt und zusammengeschlagen. Am hellichten Tag mitten in Ennis! Seine Freundin wiederum hat man als Bedienung in einem bekannten Restaurant fristlos gekündigt. Vorwurf: Diebstahl aus der Trinkgeldkasse! Natürlich hatte sie nichts geklaut. Man wollte sie einfach nur schnell loswerden! Als sie dann per Anwalt die Aufnahmen der Videoüberwachungskameras zu sehen forderte, weigerte sich das Restaurantmanagement diese heraus zu rücken. Beide verlassen demnächst das Land und gehen zurück nach Polen.

Der Politiker Ned O'Keefe warnt vor einem Militärputsch in Irland! Zitat:

The situation has become so bad that an Army coup is a real possibility. Our political system is going to fail further. The two Brians have made a right mess of the country and I see the real possibility of an Army coup ...


Meiner Meinung nach eine reale Bedrohung wenn nicht folgende Fragen wären:

a. Welche Armee und mit welchen Mitteln?
b. Wer überwacht dann die Geldtransporte der Banken?
c. Könnten die Soldaten sowas überhaupt durchziehen, nach einer durchzechten Nacht im örtlichen Pub und dem Hangover am nächsten Tag?

Ich bezweifle es und glaube erst daran wenn das auswärtige Amt in Germanistan vor Reisen nach Irland warnt.

Auf jeden Fall bleibt es spannend im Land der Irren, zumal Neuwahlen anstehen und sogut wie niemand weiß, wen man wählen soll, da alle Volksvertreter mehr oder weniger unter einer Decke stecken.

Sonntag, 13. Februar 2011

True Love


Habe dieses Bild heute bei Facebook gefunden. Ich kann nicht aufhören es zu betrachten. Für mich stellt es auf bewegende Art und Weise folgendes dar: Wahre Liebe und Freundschaft!

Hickies, Kilkee



Gestern Abend nach langer Zeit mal wieder ein Gig. Diesmal in Hickies, Kilkee. Albert, ein Freund in dessen Duo ich ab und zu mal aushelfe rief an und fragte, ob ich nicht Lust hätte mitzuspielen, da sein Duopartner Christian im Moment auf Tenerifa weilt. Obwohl ich überhaupt keine Lust mehr habe in Pubs aufzutreten, sagte ich zu. War ein schöner Abend, wie in alten Zeiten: die Leute sangen mit und gegen Ende war die Tanzfläche voll. Das schöne an der Sache: war für mich absolut stressfrei! Ich wurde abgeholt und hatte nur meine Gitarre dabei. Den Rest besorgte Albert.

Als wir am Schluss das Zeug ins Auto luden, hörte ich die Brandung. Vor dem Pub stehend schaut man die Straße runter und sieht den Atlantik! Da wurde mir mal wieder klar, wo wir hier leben ...

Sonntag, 6. Februar 2011

RIP Gary



Gary Moore, one of the greatest guitar-heroes of our time, has died in his sleep last night in Spain. He will be dearly missed! ABC-News article.

Freitag, 4. Februar 2011

Musik: Millenium



Die 9oer waren für mich die ereignisreichsten, kreativsten, interessantesten, schönsten Jahre meines Lebens. Nicht nur musikalisch gesehen. Es waren zehn abenteuerliche Jahre. Ella und ich trafen uns wieder. Sarah kam auf die Welt. Wir kauften uns einen Campingbus und fuhren jedes Jahr nach Frankreich, Spanien und Portugal. Wir zogen aufs Land in die Feldstraße 18. Ich fuhr Motorrad, spielte mit Dirty Thirty, lernte Jörg Fuhrmann und Ky Wolfe kennen. Ich war zuhause in Oberursel und Hofheim, hatte dort Freunde. Es waren verrückte Jahre mit knallharten Wintern und heißen Sommern. Wir waren glücklich!

Das alles änderte sich mehr oder weniger im Jahre 2000!

Als Ella und ich am 1. Januar 2000 heirateten und als hessisches Milleniumsbrautpaar gefeiert wurden, ahnten wir noch nicht, dass sich bald alles ändern würde. Es fing damit an, dass das Haus in der Feldstraße verkauft wurde und wir umziehen mussten. Wir blieben zwar im Ort, zogen jedoch in ein Haus dessen Mitbewohnerin uns das Leben schwer machte. Das war eine alte Oma, die Mutter unserer Vermieterin, die ständig an allem etwas auszusetzen hatte. Ich will niemandem etwas böses, doch als die Oma nach zwei Jahren den Löffel abgab, atmeten wir alle auf und ihre Tochter ebenso.

Dann fuhr ich meinen Campingbus zu Schrott. Danach kaufte ich den gleichen nochmal, der aber viel zu schnell den Geist aufgab.

Und irgendwann lief auf der Gass' auch nix mehr. Ich verdiente nicht genug. Rechnungen stapelten sich, Ella und ich stritten uns immer öfter und ich war verzweifelt! Eines Abends bei einer Dirty Thirty Probe klagte ich mein Leid und Heribert sagte folgendes:

"Mach doch eine Umschulung."

"Umschulung?! In was?!" fragte ich.

"Im IT-Sektor" (Heribert)

"Was bedeutet IT?" (ich)

"Informations Technolgie. Computer." (Heribert)

"Ich hab keine Ahnung von Computern!" (ich)

"Ei dann lernst du's!" (Heribert)

Ich ließ mir das Ganze durch den Kopf gehen. Am nächsten Tag rief ich Beate Krawitz, eine alte Bekannte im Arbeitsamt an. Wie der Zufall es so wollte war genau sie diejenige, die für Umschulungen im IT Bereich zuständig war. Und rein zufällig fing gerade ein neuer Kurs an. Sie schickte mich zum Aufnahmetest und eine Woche später hatte ich meine zweijährige Umschulungsmaßnahme in der Tasche! Um es kurz zu machen: ich hängte die Gitarre für zwei Jahre an den Nagel, lernte Webdesign und wurde ein Computer-Freak! Ich musste in die Berufschule und arbeitete in meinem Praktikum bei der Dresdner Bank in Frankfurt. Dort wollte ich eine Anstellung in der IT-Abteilung, bekam jedoch glücklicherweise keine. Als die Umschulung zu ende war arbeitete ich hier und da, merkte aber schnell, dass ich mit 39 nirgendwo einen richtigen Job bekommen würde.

Nach ung. drei Jahren nahm ich meine Gitarre und ging wieder in die Fußgängerzone. Doch jetzt hatte sich was verändert. Ich hatte mich verändert. Wenn man mir vorher gesagt hätte "Fahr doch mal den Computer runter" hätte ich gefragt "Runterfahren? Wohin denn?!" Jetzt arbeitete ich mit Photoshop, Dreamweaver, Flash und Freehand. Ich schraubte am Computer, surfte im Netz und fing an mit Cubase aufzunehmen. Doch das war nicht alles! Meine Einstellung hatte sich verändert. Ich konnte effizienter arbeiten, mich besser konzentrieren und Probleme strukturiert lösen. Ich hatte gelernt rationell zu denken und mich zu beherrschen!

Da sagte ich mir "Wenn du das jetzt alles kannst, dann kannst du auch erfolgreicher als Musiker arbeiten!" Die Frage die ich mir stellte war: Was muss ich jetzt machen?

Die Antwort kam in Form eines Anrufs. Am Telefon war Ann Thimmons, eine Irin, die zusammen mit ihrem Freund Miheal den Irish-Pub in Frankfurt/Bergen Enkheim führte. Sie fragte ob ich nicht Lust hätte bei ihnen zu spielen und ich sagte sofort zu. Ich spielte dort regelmäßig und durch Miheals Kontakte spielte ich bald in allen Irish-Pubs in Frankfurt, Offenbach, Hofheim und Hanau. Außerdem machte ich auch Karaoke. Es lief gut. Ich wollte mein Betätigungsfeld in einem 100 km Radius ausweiten. Irish-Pubs gab es mehr oder weniger überall. Ich hatte einen Plan.

Doch wie sagt man so schön: der Mensch denkt und Gott lenkt! Und genau das passierte an einem Abend im Jahre 2004!

Musik: Die 90er = Ky Wolfe


Bei dieser Produktion hat Ky im Studio mitgearbeitet. Der von ihm geschriebene Song "SOMEWHERE IN THE WORLD" wurde auch als Single und Maxi-Single veröffentlicht. Letzte VÖ war 12/2010 auf der BONEY X-MAS CD FELIZ NAVIDAD.

Als ich mal meinen Freund Romica in Berlin besuchte, lieh ich mir sein Roland VS-880 Digital Studio Workstation. Das ist ein relativ kleines portables Musikstudio auf digitaler Basis mit allem drum und dran. Romica hatte sich das Teil für ein Schweinegeld gekauft und seitdem kein einziges Mal benutzt. Es stand bei ihm nur als Staubfänger rum. Ich hatte früher ein wenig mit analogen Vierspur-Rekordern rumexperimentiert, hatte sonst aber überhaupt keinen Plan von der Materie. Ehrlichgesagt wusste ich zu der Zeit nicht mal was "digital" bedeutet, geschweige denn wie das ganze funktioniert.

Zuhause lag das Teil dann auch nur rum, bis ich mir einen Ruck gab, die Gebrauchsanweisung rauskramte und langsam loslegte. Ich kann jetzt nicht sagen, dass die Sonne gleich aufging. Ich musste mich erstmal Schritt für Schritt einarbeiten. Als ich aber kapierte was ich da hatte und welche Möglichkeiten sich mir boten, sah ich einen Lichtstreif am Horizont. Ich weiß noch wie ich mit der Gitarre in der Küche saß, auf dem Tisch das Roland und daneben das Handbuch. Ich war fasziniert von der Klarheit der Aufnahmen: gestochen scharf und sogut wie rauschfrei! Ich probierte verschiede Effekte und Equalizereinstellungen aus und machte overdubs. Es wurde immer besser und vor allem: interessanter!

Ich beschloss mir ein Musikstudio einzurichten.

Wir wohnten damals in einem kleinen Haus auf dem Lande. Viel Platz gab es nicht. Doch da war ein Raum, der als Abstellkammer diente und vom Hof aus zugänglich war. Ich machte dort klar Schiff und entdeckte dabei ein Loch im Boden. Die Holzdielen waren morsch und in der einen Ecke waren sie komplett weggerottet! Ich legte einfach eine Tür drüber und damit war die Sache geregelt. Ansonsten war der Raum recht ansprechend: ung. 10 qm groß, komplett mit Holz verkleidet und einem großen Fenster. Ich stellte zwei Biertische rein und schraubte zig Regale an die Wand.

Danach ging ich einkaufen!

Ich fuhr zum Musik-Service nach Aschaffenburg und kaufte alles was ich für ein gutes Homerecording-Studio brauchte: Monitore, Mikrofone, Stative, einen Synthesizer, Gitarrenprozessoren usw. Außerdem kaufte ich mir meine eigene Workstation: das Roland VS1680! Es war das Beste, was man zu der Zeit in diesem Bereich bekommen konnte. Alles in allem gab ich 6.000 DM aus.

Allein das Einrichten des Studios machte ungeheuren Spaß! Als alles fertig war, hatte ich nicht viel Platz. Stellte man einen Mikrofonständer auf, passten gerade mal zwei Leute in den Raum!
Doch ich machte es mir gemütlich, mit gedämpftem Licht und Räucherstäbchen. Es war mein kleines Reich!

Ich begann aufzunehmen.

Es war absolut faszinierend! Ich saß sprichwörtlich Tag und Nacht in meinem Studio. Das Ganze nahm mich dermaßen gefangen, dass ich oft Essen und Trinken vergaß. Ich wollte noch nicht mal aufs Klo! Einmal nahm ich meinen Song Wild Wind auf. Es ging um 14.00 Uhr los und endete am nächsten Morgen um 5.00 Uhr! Ich merkte noch nicht mal wie die Zeit verging. Als ich mich danach ins Bett legte, konnte ich nicht einschlafen weil mein Kopf voll war mit Musik. Es war wie eine Droge!

So ging es ung. einen Monat. Doch dann hatte ich ein Problem: ich verdiente kein Geld! Also musste ich wieder raus auf die Gass' anschaffen.

Und dann traf ich Ky Wolfe! Es war ein verregneter Tag. Ich stand mit meiner Johnson unter der Markise der Schlecker Drogerie in Oberursel und sang gerade Proud Mary als er vorbei schlenderte. Er viel mir sofort auf: ein kleiner, dicklicher Typ, so um die Vierzig, mit Brille, Vollbart und Strubbelfrisur. Er trug eine Dachdeckerhose (so wie ich), eine Hanseaten Kappe und hatte eine Kippe im Mund. Als er mich kurze Zeit später ansprach, viel mir sein Hochdeutsch auf, sowie seine gewählte Ausdrucksweise. Ich merkte zwar, dass ich es hier mit keinem Deppen zu tun hatte aber so richtig einordnen konnte ich ihn nicht. Er sagte:

"Könntest du nochmal Proud Mary spielen? Ist eine interessante Version!"

Also spielte ich nochmal Proud Mary und er hörte aufmerksam zu. Danach sagte er folgendes:

"Klasse! Mein Name ist Ky Wolfe und ich arbeite im Musikbusiness. Bin auf der Suche nach talentierten Leuten. Hättest du Lust auf'n Kaffee?"

Ich sah ihn nur an und dachte er will mich verarschen! Anscheinend bemerkte er meine Skepsis und meinte:

"Du hast es drauf! Kannst du dir eine Karriere als Solointerpret vorstellen?"

Und ich antwortete ohne lange zu überlegen:

"Nein! Aber ich habe ein Studio wo wir aufnehmen können."

Wir tauschten Telefonnummern aus, er verabschiedete sich und ich vergaß das Ganze.

Eine Woche später klingelte mein Handy und Ky war dran. Er wäre gerade in der Nähe und könnte in einer Stunde vorbeikommen. Ich erklärte ihm wo wir wohnten. Danach sagte ich zu Ella:

"Da kommt gleich so ein komischer Typ vorbei. Er heißt Ky."

Ung. eine Stunde später fuhr ein Wohnmobil vor. Ky stieg aus, mit einem kleinen Terrier an der Leine und das Schicksal nahm seinen Lauf!

Er verbrachte den Tag bei uns und erzählte seine Geschichte. Ky war Musiker, Komponist und Muikproduzent. Er arbeitete früher mit dem berühmten Musikproduzenten Frank Farian und kannte ihn schon über 35 Jahre. Dabei schrieb er u.a. auch Songs für Farians frühe Interpreten BENNY & GILLA. Ky kramte sein Fotoalbum aus der Tasche und zeigte uns Bilder aus dieser Zeit: zu sehen waren Ky, Boney M. und Frank Farian bei der Arbeit im Studio! Er erzählte wie ihn dieser Job und der Stress fast das Leben gekostet hätte, dass er nach dem zweiten Herzinfarkt aufgab und dadurch alles verlor: seine Frau, seine Kinder und sein Vermögen. Dazu zeigte er noch Bilder seiner Familie. Er lebte in einem gemieteten Haus in Landau an der Weinstraße und arbeitete als Kassierer bei der örtlichen Tankstelle. Er wollte zurück ins Muisikbusiness und versuchte deshalb in Eigenregie wieder etwas auf die Beine zu stellen. Er fragte, ob ich nicht Lust hätte mit zu machen und ich hätte irgendwas von einem eigenen Studio erzählt? Wir gingen rüber und ich spielte einige meiner Aufnahmen vor. Ky war fasziniert! Er sagte:

"Wir werden hier vorproduzieren! Damit gehe ich dann hausieren. Ich kenne alle im Business! Wenn wir Erfolg haben, gehen wir ins richtige Studio und du verdienst ein Schweinegeld!"

Als ich fragte wer "alle" wären, meinte er das wären Leute wie Dieter Thomas Heck, Michael Holm, Jürgen Drews etc. Kollegen von früher, die immer noch dick im Geschäft wären und er genau da wieder rein wollte ... aber ohne Frank Farian!

Als er sich verabschiedete hatte er ung. 10 große Tassen Cappucino getrunken und der Aschenbecher war bis oben hin randvoll! Soviel zum Thema Herzinfarkt. Ella und ich sahen uns an und wussten nicht was wir von der ganzen Sache halten sollten. Ich war immer noch skeptisch. Gleichzeitig spürte ich, dass an der Sache was dran war.

Am nächsten Tag war Ky wieder da und brachte sein Yamaha-Keyboard und die Gitarre mit.

"Hier haste mein Keyboard. Vielleicht kannst es ja gebrauchen."

Er arbeitete gerade an einem Kinderlied mit dem Titel Wir sind das Licht und musste nochmal kurz drübergehen. Dazu setzte er sich in die Küche, trank eine Tasse Cappo nach der anderen und rauchte solange bis Ella ihn rauswarf! Danach gingen wir ins Studio und es begann das, was später als Feldstraße 18-Phase in die Annalen unserer Familiengeschichte eingehen sollte. Wir arbeiteten Tag und Nacht! Ich saß oft mit meinem Handbuch da, weil ich das 1680 noch nicht völlig beherrschte. Wenn Ky nicht da war, nahm ich alleine auf. Ich produzierte Wir sind das Licht von Anfang bis zum Ende und weiß noch wie ich die Chorstimmen mit einer Zweifingertechnik auf dem Keyboard über den Synthesizer spielte und dafür einen ganzen Tag brauchte. Ab und zu musste ich mehr als zwei Finger benutzen und verspielte mich ständig. Bin ja kein Keyboarder! Was am Ende dabei rauskam war ein wunderschönes Lied, das Ky total faszinierte. Er hatte absolut nichts daran auszusetzen, klopfte mir auf die Schulter und sagte:

"Guter Job!"

Ich bin heute noch stolz drauf!

Alles war schön und gut doch ich verdiente kein Geld dabei. Das sagte ich Ky und er versicherte mir, dass er bereits jemanden an der Hand hätte, der uns Wir sind das Licht abkaufen würde. Trotzdem musste ich mir 1.000 DM von Jörg leihen, um die Miete zu bezahlen. Kurze Zeit später war die Nummer tatsächlich verkauft und Jörg bekam sein Geld wieder!

Danach gings weiter mit der Countrynummer Daddy und mit Es war doch einmal Liebe im Stil von Tic Tac Toe. Ky schrieb diese Titel bei uns am Küchentisch, während um ihn herum voll das Chaos abging: schreiende Kinder, bellende Hunde, ständiger Besuch von Freunden. Störte ihn überhaupt nicht! Hauptsache er hatte einen frisch gebrühten Cappo neben sich stehen und seinen Rot Händle Tabak. Ich hab einmal an einer seiner Selbstgedrehten gezogen und wäre fast in Ohnmacht gefallen!

Von Es war doch einmal Liebe nahmen wir insgesammt 12 verschiedene Versionen auf! Plötzlich standen irgendwelche Sängerinnen bei uns im Studio, die Ky anschleppte. Bei Daddy machte die ganze Familie mit. Jana war zwölf und Sarah gerade mal sechs Jahre alt. Zusammen mit Ella sangen sie im Chor. Ich spielte mitten in der Nacht ein geiles Rockgitarren-Solo ein und vergaß dabei den Aufnahmeknopf zu drücken! Ky meinte nur, dass ich deswegen bei Frank Farian sofort gefeuert worden wäre! Zwischendurch erzählte er unglaubliche Geschichten und Anekdoten aus seiner Zeit bei Farian und aus den Siebzigern, als er noch selber Musiker war.

Ky gründete die Ohrwurm Multimedia Agentur (OMA) und war ständig auf der Suche nach neuen Talenten. Eines Tages kam er an und erzählte von seinem alten Feund Tommy, dem Imobilienmakler aus Stuttgart mit Geld wie Heu. Tommy wäre schon immer scharf darauf gewesen ins Musikbusiness einzusteigen und Ky hätte ihm deshalb unsere Aufnahmen vorgespielt. Im Vordergrund stand dabei Daddy und Es war doch einmal Liebe. Tommy war total begeistert und überzeugt! Er erklärte sich dazu bereit, beide Nummern komplett neu in einem professionellem Studio aufnehmen zu lassen und die Kosten dafür zu tragen. Komerziell gesehen sollte das Ganze so verpackt werden, dass man es hinterher einer großen Plattenfirma anbieten könnte, die es wiederum mit Kusshand nehmen würde, weil sie selber keine Studioproduktionskosten aufbringen müsste. Das war der Plan.

Ky war total euphorisch! Für ihn ging es um alles oder nichts. Es ging, wie er sagte, um unsere Zukunft. "Stell dir vor, wir haben Erfolg damit. Dann muss ich nicht mehr bei der Tanke arbeiten und wir können gemeinsam ein Studio auf Mallorca gründen. So wie Michael Cretu oder Peter Maffay!"

Es war eine schöne Vorstellung: Ella, die Kids und ich auf Mallorca - ein Leben in der Sonne, in einem schönen Haus mit Blick aufs Meer und einem professionellem Studio! Ich begann zu träumen ...

Und tatsächlich: kurze Zeit später wurde ein Studio gebucht und wir alle fuhren gemeinsam zu Franz Halmich nach Knittlingen! Franz war früher Keyboarder und Saxophonist bei den Flippers und hat nach eigener Aussage deren Hit Weine nicht kleine Eva geschrieben. Er besaß ein großes Studio im Keller seines großen Hauses. Das Studio bestand aus dem Regieraum mit einem 48-Spur-Mischpult und einem großen Aufnahmeraum wo eine komplette Bigband reingepasst hätte. An den Wänden hingen Bilder von Stars und solchen die es noch werden wollten und die alle schon bei Franz im Studio waren. In der Ecke stand eine ultra teure digitale Bandmaschine. Weder diese noch das Mischpult wurden für die Aufnahmen benutzt. Vielmehr saß Franz an einem kleinen Tisch neben dem Pult an seinem Apple. Damit wurde aufgenommen! Auf meine Frage warum er das Mischpult noch hätte antwortete er: "Es macht einen guten Eindruck auf die Kundschaft!" Da wurde mir klar, dass ich mit meinem Studio auf dem richtigen Weg war!

Als dann Tommy mit seinem Porsche vorfuhr und im Armani Anzug ausstieg wurde mir nochwas klar: dieser Mensch hatte mit Musik überhaupt nichts am Hut! Das war ein reiner Geschäftsmann. Wärend wir uns einander vorstellten klingelte sein Handy. Er führte ein kurzes Gespräch und legte auf. Er hatte gerade eine Wohnung in Stuttgart gekauft! Mit dabei war sein Assistent, von dem Ky später sagte, dass er tief in Tommys Arsch kriecht und nur ab und zu mal den Kopf rausstreckt um Luft zu holen.

Es wurde ein Zeitplan erarbeitet, Zimmer gebucht und danach gings zum Abendessen. Dort hielt uns Tommy einen Vortrag über Arbeitsmoral, was er von uns erwartete und was für ein toller Typ er selber sei. Ich konnte nicht anders aber langsam hatte ich das Gefühl, dass sich dort am Tisch unser Traum von Mallorca langsam aber sicher in Luft auflöste! Der Rest des Abends quatschten Tommy und Ky über alte Zeiten und wir anderen hörten einfach nur zu. Danach gings in die Pension.

Am nächsten Tag fing die Arbeit an. Während ich im Studio stand und die Gitarrentracks einspielte, kam Tommy mit seinem Assistenten hereingeschlendert. Sie hingen nur rum und standen mehr oder weniger im Weg. Irgendwann mussten sie dann gehen und jeder war froh darüber. Zwischendurch kam noch ein Saxophonist und der Pedalsteelplayer von Truck Stop. Ella und Jana machten ihren Job als Chorsängerinnen, wurden bezahlt und fuhren wieder nach Hause. Ich sah sie erst Wochen später wieder, weil sie nach Portugal fuhren. Ich blieb noch einen weiteren Tag und nahm ein paar Tracks mit der akustischen Gitarre auf. Von der Euphorie war nichts mehr zu spüren und am Ende war ich froh als ich nach Hause fahren durfte. Während der Fahrt in unserem Campingbus legte ich die CD Tuesday's Child von Amanda Marshall auf. Selbst heute noch bekomme ich dabei das gleiche Gefühl im Bauch wie damals, als ich auf der A5 Richtung Heimat fuhr. Ein Gefühl von Melancholie und der Gewissheit, dass alles nur ein schöner Traum war.

Als mir Ky später die fertigen Aufnahmen vorspielte und erzählte was abgelaufen ist, wusste ich, dass mein Bauchgefühl richtig war. Die Nummern klangen glattgebügelt und steril. Es fehlte das gewisse etwas. Unsere ersten Aufnahmen klangen dagegen viel besser, mit Feuer, Leidenschaft und Energie. Die neuen dagegen nur komerziell ... und sonst nichts. Ky hatte damit keinen Erfolg bei den Plattenfirmen. Tommy war total angepisst! Beide hatten sich deswegen zerstritten.

Ich machte danach einfach weiter wie immer: Straßenmusik und Studioaufnahmen. Ky verschwand für eine Weile von der Bildfläche. Dann gründete er ein Trio mit dem Namen Der Flotte Dreier. Sie traten bei Lilo Wanders in der Show auf. Als Ella und ich heirateten, kam er auf unsere Hochzeit und spielte ein Lied, das er für uns geschrieben hatte. Danach haben wir ihn nie wieder gesehen. Auch Nachforschungen im Internet haben nichts ergeben. Ich weiß nicht mal ob er noch lebt.

Die Zeit mit Ky Wolfe war eine der kreativsten im meinem Leben. Später mussten wir umziehen und ich löste das Studio auf.

Donnerstag, 3. Februar 2011

Musik: Die 90er = Jörg Fuhrmann ... der Resonatorman


Jörgs Weihnachtsgeschenk: Johnson Style O


Pre war 1932 National Style O vintage resonator guitar


Ich hatte schon davon erzählt, dass ich jahrelang nur Instrumentalmusik in deutschen Fußgängerzonen spielte. Dazu benutzte ich einen batteriebetriebenen Verstärker. Nun ist es in Deutschland generell verboten in Fußgängerzonen mit so einem Teil aufzutreten, sofern man keine Sondergenehmigung hat. Die wiederum bekommt man nur zu ganz bestimmten Anlässen. Der Grund dafür nennt sich Ruhestörung. Das war schon immer so, nur händelte jede Stadt das auf ihre Art und Weise. In manchen Städten wurde es geduldet, in anderen wiederum nicht.

Ruhe hat in Deutschland einen hohen Stellenwert. Deshalb gibt es auch die Mittagsruhe von 13.00 bis 15.00 Uhr, die Nachtruhe nach 22.00 Uhr und die Ruhe in Ewigkeit ... Amen.

Ich erinnere mich an die Zeit auf der Zeil/Frankfurt während der achtziger Jahre, als sogut wie jeder Straßenmusiker einen Amp dabei hatte und sogar Bands komplette Anlagen mit E-Gitarre, Bass und Schlagzeug dort aufbauten und loslegten. Irgendwann wurde es strikt verboten. Das Ordnungsamt war da auch ganz schön hinterher und wies ihre Strafzettelverteiler an, Ruhesünder rigoros zu verfolgen und zu knechten! Am liebsten hätten sie dieses Teufelswerk genannt Straßenmusik komplett untersagt, was aber laut Gesetz nicht möglich ist, da die Fußgängerzone ein öffentlicher Raum ist, wo Menschen sich treffen und komunizieren. Dazu gehört auch das Musizieren. Außerdem wäre es schlecht gewesen für die Publicity. Wie hätte das denn ausgesehen wenn man jeden, der sich mit einer Gitarre irgendwo hinsetzt sofort verscheuchen oder gar verhaften würde?!

Also ließ man sich was einfallen. Innerhalb der Gesetze gibt es Spielräume. Viele Großstädte im Rhein/Main-Gebiet folgten dem Beispiel Frankfurts und legten eigene Regeln in Sachen Straßenmusik fest. Bad Homburg setzte dem Ganzen die Krone auf: nicht nur, dass man keinen Verstärker mehr benutzen durfte. Man musste sogar den Platz alle 15 Minuten wechseln und mindestens 100 Meter weiterziehen!

Als Straßenmucker merkte man sehr schnell woher der Wind wehte, d.h. wo man willkommen war und wo nicht. In Bad Homburg sicherlich nicht. Was diese Stadt brauchte waren reiche Leute, die ihr Geld im Spielcasino ausgaben.

Oft wussten die Ordnungshüter selber nicht wie genau die Regeln lauteten und erzählten einem irgend 'nen Scheiß, der vorne und hinten nicht stimmte. Deshalb ging ich dazu über die Ordnungsämter abzuklappern, um mich genau zu informieren. In Aschaffenburg, wo ich oft und gerne spielte gab es so eine Art Bürgerpolizei. Das waren ganz normale Leute, die sich freiwillig dafür meldeten, täglich durch die Fußgängerzone und den Stadtpark zu patroulieren. Die machten das ehrenamtlich und bekamen dafür so eine Art Uniform und Funkgeräte zur Verfügung. Auf Anfrage musste man diesen Leuten den Personalausweis vorzeigen und ggf. deren Anweisungen befolgen. Wenn nicht, riefen sie sofort die "Kavallerie". Der Grund für die Aufstellung einer solchen Bürgepolizei war die steigende Drogenkriminalität in der Stadt. Man wollte die Strafzettelverteiler entlasten. Schließlich sollten diese Geld in die Kassen bringen und sich nicht mit irgendwelchen Drogis rumschlagen!

Die Bürgerpolizisten waren alle durchweg nette Leute und ich hatte keinen Ärger mit ihnen ... außer mit einem! Dieser Arsch hatte es nicht nur auf mich, sondern auf jeden abgesehen, der unerlaubt einen Furz ließ! Er machte mir zusehends das Leben schwer. Deshalb ging ich eines Tages auf das Ordungsamt und sprach mit einem Sachbearbeiter. Herr König war ein netter Mensch und erklärte mir ganz genau was ich als Straßenmusiker in Aschaffenburg durfte und was nicht. Dabei kam folgendes raus: in der kompletten Fußgängerzone durfte man nicht mit Verstärker spielen und musste den Platz alle 30 Minuten wechseln. Ausgenommen von dieser Regel war das Schöntal. In diesem Bereich, der sich von der Fußgängerzone durch den Stadtpark bis runter zur City-Gallerie ertsreckt, durfte man stehenbleiben so lange man wollte und den Verstärker bis zum Anschlag aufdrehen! Natürlich hielt ich mich von nun an immer dort auf und als das nächste Mal der Bürgerpolizistenarsch wieder vor mir stand sagte ich ihm durch die Blume, er solle sich verpissen!

In Bad Orb musste man z.B. unter der Woche 10 Euro zahlen, um Straßenmusik machen zu dürfen. War mir auch ganz recht! Ich zahlte und hatte meine Ruhe. Kein Mensch beanstandete danach meinen Verstärker oder dass ich zu lange an einem Platz stehen würde! Die Konkurrenz wurde dadurch auch ausgeschaltet weil sich anscheinend keiner außer mir die 10 Euro leisten konnte oder wollte.

Innerhalb dieser Regelstrukturen hatte auch ich meine Spielräume und fand sehr schnell heraus wie und wo der Hase läuft. Wenn ich heute daran zurückdenke wundere ich mich darüber, dass ich das alles so lange mitgemacht und ausgehalten habe. Zumal ich jetzt schon seit fast sechs Jahren, sechs Tage die Woche an ein und dem selben Platz stehe und spiele! Kein Mensch regt sich hier darüber auf.

Wie auch immer, ich machte so weiter. Bis ungefähr 1998. Dann traf ich Jörg Fuhrmann! Wir lernten uns in Hofheims Fußgängerzone kennen. Jörg spielt ebenfalls Gitarre und ist ein Experte in Sachen Resonatorgitarren. Er spielt Blues mit Slide und ist ein Anhänger der alten Schule. Zu seinen Vorbildern gehört u.A. Bob Brozman. Ich weiß noch, dass mich Jörg fragte ob ich Slide spielen würde. Als ich bejate, musste ich sofort eine Nummer vorspielen. Danach wurden wir schnell Freunde :o)

Für diejenigen, die nicht wissen was eine Resonatorgitarre ist: guckst du hier!

Jörg lud mich zu sich nach Hause ein und zeigte mir seine "Projekte": Resonatorgitarren, an denen er rumwerkelte und sie so lange modifizierte, bis er das Beste aus ihnen herausholte. Dabei ging es weniger darum, ob diese Gitarren teuer waren oder nicht. Oft waren es gerade die billigen Nachbauten, die nach einer solchen Behandlung besser klangen als die teuren Originale. Jörg war von Beruf Uhrmacher und ist ein absoluter Perfektionist. Sein Traum war eine original National aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Am besten eine National Style O aus den frühen dreißiger Jahren (siehe Bild).

Ich erzählte ihm wiederum von meinen Verstärkerproblemen auf der Straße und dass ich mir langsam eine Alternative überlegen müsste. Jörg hörte aufmerksam zu und riet mir schließlich zu einer Resonatorgitarre, da diese speziell auch für die Musik auf der Straße gebaut wurde um sich gegen den Krach durchzusetzen ... rein akustisch ohne Verstärker. Man muss sich das mal vorstellen: laut Wikipedia wurde das Instrument kurz vor 1930 von den aus der Slowakei stammenden Gebrüdern Dopyera (Dopyera Brothers) entwickelt, um die Lautstärke anderer Instrumente, insbesondere von Bläsern, auch für Gitarristen möglich zu machen. Das Lautstärkeproblem gab es also schon immer und ich war noch nie auf die Idee gekommen es mal mit so einer Gitarre zu versuchen.

Ich erwiederte, dass ich es mir nochmal überlegen würde, mir z.Zt. aber keine leisten könnte.

Es war dann kurz vor Weihnachten als Jörg anrief und sagte, ich sollte mal vorbeikommen, er hätte da was für mich. Bei ihm Zuhause präsentierte er mir dann eine von ihm modifizierte Johnson mit original National-Resonator. Die Gitarre klang unglaublich laut und besser als die viel teurere Continental, die er noch hatte.

Er schenkte mir die Johnson zu Weihnachten!

Ich war total aus dem Häußchen! Ich hatte bis dahin noch nie eine Gitarre geschenkt bekommen. Jörg wollte mir nicht nur eine Freude damit machen, sondern mich auch bei meinem täglichen "Kampf" auf der Straße unterstützen. Ich liebe diese Gitarre. Sie ist ein Beweis unserer Freundschaft und ich werde sie niemals hergeben! Sie wurde danach nochmal modifiziert. Thomas Kortmann aus Oberursel ersetzte den ursprünglichen Hals durch einen breiteren, aus hoch qulitativem Vogelaugenahorn! Und auch hier kam Jörg wieder ins Spiel. Kortmann baute zwar den Hals, weigerte sich aber diesen in die Gitarre einzupassen. Zuviel Arbeit, wie er sagte. Das machte dann Jörg. Und er machte einen hell of a job! Der Hit war, dass das Ganze nochmal mit einer zweiten Holz-Johnson, die ich später kaufte mehr oder weniger genauso wiederholt wurde!

Ich wusste nicht, wie ich ihm für das alles hätte danken können!

Aber es kam noch viel besser! Kurze Zeit später fand ich in einem Gitarrengeschäft in Frankfurt eine original Pre War National Duolian! Kostenpunkt 3.600DM. Ich weiß nicht welcher Teufel mich ritt aber ich musste diese Gitarre unbedingt haben! Warscheinlich lag es daran, dass mich Jörg mit dem Resonatorvirus infiziert hatte. Ich rief ihn an und erzählte ihm von der Neuigkeit. Er ließ alles stehen und liegen und fuhr von der Arbeit in Kronberg runter nach Frankfurt. Als er im Laden war konnte er seinen eigenen Augen nicht trauen: da war genau die Gitarre, die er schon immer haben wollte! Doch ich wollte sie auch. Der Hit war, dass ich überhaupt kein Geld hatte und Jörg es mir lieh, nachdem er den Preis auf 3.000DM runterhandelte!!! Ich musste ihm nur versprechen, dass wenn ich die Gitarre nicht mehr haben wollte, er sie bekommen würde.

Soviel zur Frage "Wie hätte ich ihm nur danken können"! Wenns nämlich um Gitarren geht, werden bei uns Gitarristen nicht nur gute Vorsätze außer Kraft gesetzt, sondern auch das Hirn!

Am nächsten Tag stand ich mit der alten Duolian im Schöntal Aschaffenburg und versuchte gerade den Gurt festzumachen als sie plötzlich runterfiel und mit dem Kopf zuerst auf das Pflaster krachte! Es gab einen Schlag als hätte jemand mit einem Baseballschläger gegen eine leere Blechtonne geschlagen und ich bekam fast einen Herzinfarkt!! Bei jeder anderen Klampfe wäre der Kopf sofort abgebrochen. Nicht so bei der alten Duolian. Durch ihr Alter war das Holz hart wie Fels! Lediglich ein kleines Stück oben am Kopf war abgesplittert. Doch auch das tat mir in der Seele weh! Ich erzählte Jörg davon am Telefon und er verfluchte mich!

Später konnte ich ihm die 3000DM nicht zurückzahlen und er bekam die Gitarre. Komischerweise verkaufte er sie an einen Freund und bestellte sich eine andere aus den USA. Das war eine National Triolian Bj. 1932/33. Diese wiederum kaufte ich ihm für 2.000 Euro ab, kurz bevor ich nach Irland ging. Doch ich konnte mich nicht so recht mit ihr anfreunden und nachdem sie Jahrelang nur im Koffer lag stellte ich sie für einen Festpreis von 1.800 Euro im eBay ein. Doch keiner wollte sie haben. Statt runterzugehen erhöhte ich den Preis auf 1.900. Das ging dann weiter bis 2.300 Euro. Dann kaufte sie ein Typ aus Deutschland. Sein Kommentar: "Ich wollte schon immer so eine und habe deshalb sofort zugeschlagen!" Wie gesagt, wir Gitarristen sind Freaks!

Worum es mir aber geht ist folgendes: durch Jörg habe ich mein altes Instrumentalprogramm über Bord geworfen und fing an zu singen! Ich stand da plötzlich mit einer funkelnden Blechgitarre, einem eye catcher und sang mir die Seele aus dem Leib. Nicht nur, dass damit das Verstärkerproblem gelöst war, sondern ich fühlte mich auch befreit von den alten Gewohnheiten und sang es in die Welt hinaus. Plötzlich bekam ich auch öfters Auftritte und verdiente mehr Geld! Ich lernte Leute kennen, die früher nur an mir verbeigelaufen sind, mir nun aber gut zusprachen, Komplimente und Mut machten. Ich fühlte mich wie neugeboren. Das einzig Negative an der Resonatorgitarre ist ihr Gewicht. Durch das jahrelange Spielen im Stehen mit so einer Klampfe aus Messing, habe ich heute einen Haltungsschaden. Doch das war es mir wert!

Heute spiele ich wieder mit Verstärker und habe alles Mögliche im Programm. Ich spiele die alten Instrumentalnummern, singe meine Songs und spiele neuerdings auch E-Gitarre mit Backingtracks. Ich habe drei Gitarren da draußen (auch die Holz-Johnson), singe über Mikro und habe meinen Platz gefunden.

Das alles habe ich zum großen Teil meinem alten Freund Jörg Fuhrmann zu verdanken. Ohne ihn hätte ich später nie in Irish-Pubs gespielt und wer weiß, vielleicht wäre ich auch nicht hier!

Thank you my friend!

P.S. Jörg spielt z.Zt. im Bluesduo Cooling Board. Lohnt sich rein zu schauen!

Mittwoch, 2. Februar 2011

Musik: Die 90er = Duo Denum


Duo Denum

Einer der wichtigsten Musiker mit dem ich zu sammen gespielt habe war (und ist auch heute noch) Manuel Koglin alias Don P.

Ich kann mich noch erinnern wie wir uns kennelernten. Zwei Freundinen (Suse & Babsi) nahmen mich mit in seine WG, wo eine akustik Session im Wohnzimmer stattfand. Auf dem Weg dorthin erzählten sie, was für ein abgefahrener Typ er wäre. Manuel packte dann auch gleich die Klampfe aus und legte los. Ich hatte meine Gitarre ebenfalls dabei und versuchte so gut es ging mit zu halten ... was mir jedoch kläglich misslang! Manuel hatte nämlich damals bereits das drauf, wofür ich noch einige Jahre brauchen würde. Während er also auf dem Sofa tierisch abgroovte, saß ich nur ziemlich ratlos daneben. In den Pausen versuchte ich mit meinen Istrumentalnummern zu imponieren. Auch das gelang mir nicht! Manuel sagte lediglich: "Bei einem Abendessen würde ich dich als Hintegrundmusiker engagieren."

Er wurde mir zusehends unsympathisch!

Während er also wie ein junger Gott weiterspielte und die Mädels ihn anhimmelten, wollte ich nur noch nach Hause.

Das war meine erste Begegnung mit Manuel.

Jahre später, als ich mit Treibhaus spielte rief er mich an und fragte, ob ich nicht Lust hätte in seiner neuen Band mit zu spielen. Don P. Projekt bestand aus Manuel (Gesang und Gitarre), Ralf Müller (Bass), Michael Hoffmann (Drums), Susanne Öhmann und einem anderen Mädel, deren Namen ich nicht mehr weiß (Backingvocals) und mir. Wie der Name schon sagt war das Manuels Projekt. Er war der Chef. Wir waren gut, coverten Led Zeppelin, Steve Miller u. A. Irgendwann gab es Knatsch und die Band fiel auseinander.

Es gingen wieder ein paar Jahre ins Land. Da rief ich ihn an und fragte, ob er nicht Lust hätte mit mir ein Duo zu gründen: zwei akustische Gitarren mit Gesang. Gesagt, getan. Wir nannten uns Duo Denum. Ab hier wurde es interessant! Nach all den Jahren seit unserer ersten Begegnung war ich endlich in der Lage Manuel das Wasser zu reichen. Man muss nämlich eines wissen: Manuel ist nicht nur ein wahnsinns Musiker, der Gitarre, Bass und Schlagzeug spielt, sondern auch ein geborener Entertainer! Er hat eine ausgeprägte Persönlichkeit. Die habe ich allerdings auch! Und genau das machte Duo Denum zu was besonderem. John Mayer sagte mal, eines der wesentlichsten Dinge im Zusammenspiel mit anderen Musikern ist der Versuch, sich gegenseitig zu beeindrucken. Genau das war bei Manuel und mir der Fall. Außerdem lernten wir beide voneinander und forderten uns ständig gegenseitig heraus. Ich glaube, dass ich zu dieser Zeit wirklich anfing richtig Gitarre zu spielen. Auf jeden Fall war ich super in Form!

Duo Denum war eine Simbiose, da wir beide einen unterschiedlich musikalischen Background haben und uns somit gegenseitig super ergänzten. Während ich von der akustischen Gitarre komme mit Folk, Blues und Country Einflüssen, ist Manuel ein Jazz-, Rock-, Raggae-, Latin-, Funk-Typ. Zu meinen Vorbildern zähle ich u.a. Leo Kottke und Ry Cooder. Manuels heroes sind dagenen Gitarristen wie Al Di Meola und John McLaughlin. Das merkt man auch an der Art wie er spielt und vor allem was er spielt. Technisch gesehen war es für mich eine Herausforderung als wir die Nummer Mediterranean Sundance von Al Di Meaola, John McLaughlin & Paco De Lucia spielten. Manuel hatte das voll drauf und konnte da richtig glänzen, da ging er ab wie die Feuerwehr! Meine Spezialtät war Blues-Rock und auch das Spiel mit dem Slide.

Gemeinsam fuhren wir ab auf Bands wie die Eagles, CSN&Y, Neil Young, Rolling Stones, Police, Lynyrd Skynyrd, Steve Miller, J.J.Cale, Hendrix etc. Vor allem stand auch der zweistimmige Gesang im Vordergrund. Wir probten einmal die Woche und Manuel infizierte mich mit dem Raggae-Virus. Bei den Auftritten gings dann richtig zur Sache. Egal wo wir spielten, ob es voll war oder nicht, wir hatten für jeden was dabei: breitgefächertes Repertoire, virtuoses Gitarrespiel, super Gesang und Unterhaltung! Die Gigs liefen folgendermaßen: der erste Set zusammen, danach jeweils getrennt und zum Schluss nochmal gemeinsam. Mit der Zeit wurden wir richtig gut. Ich kann mit Fug und Recht behaupten (und da wird mir nicht nur der Manuel zustimmen), dass wir der Knaller waren!

Doch auch das hatte irgendwann ein Ende!

Und zwar an dem Abend im Jazzkeller-Hanau als ich zu unserem Gig eine E-Gitarre und Verstärker mitbrachte. Manuel war deswegen eingeschnappt und mir ging mal wieder alles auf'n Sack. Danach war aus die Maus! Wir trennten uns entgültig.

Trotz aller positiven Aspekte unseres Zusammenspiels hatte ich oft das Gefühl, das Manuel mir den Atem nahm. Ich hatte das Gefühl, dass er mir nicht zuhörte wenn ich was erklären wollte und mich dann im Eifer des Gefechts einfach überrollte. Er drehte manchmal derartig auf, dass ich mir wie bei einem 100 Meter-Lauf vorkam: Manuel ging ab wie Zäpfchen und ich hechelte hinterher! Ich kann mich noch erinnern als wir Mal zu einem Gig fuhren: jeder fuhr mit seinem eigenen Auto. Ich fuhr vorneweg und hielt mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Plötzlich überholte mich Manuel. Ich dachte "leck mich doch" und zog wiederum an ihm vorbei ... bei absolutem Überholverbot! Später meinte er, dafür hätte ich meinen Führerschein verlieren können. Ich wies ihn darauf hin, dass er bei seinem Überholmanöver zu schnell fuhr usw.

So ungefähr war auch unser musikalisches Zusammenspiel. Ein Konkurrenzkampf mit Unterhaltungswert! Eigentlich hätten wir Duo Demon oder Duo Dumb heißen sollen ...

Die Wahrheit ist: Manuel war damals immer noch besser als ich. Und wenn er merkt, dass er der Bessere ist, wird er zum Alpha-Tier. Ich wiederum konnte das nicht ertragen und wischte ihm eine aus, indem ich die E-Gitarre mit ins Spiel brachte. Doch das war ein Bruch unserer Vereinbarung: Duo Denum war ein Akustik-Duo!

Später tat es mir leid. Was hätte nur aus uns werden können?!

Kurz bevor es nach Irland ging rief er an und fragte, ob wir nicht Duo Denum wiederbeleben wollten. Er ist bisher auch der einzige meiner Kumpels, der uns hier besuchen kam. Wir spielten zusammen auf der Straße und im Pub, redeten über alte Zeiten und hatten jede Menge Spaß. Erst jetzt, nach so langer Zeit habe ich nicht mehr das Gefühl, dass er mich bevormundet. Er ist auch ruhiger geworden. Dafür bin ich bekloppter als jemals zuvor!

Trotzdem haben wir beide noch den R&R: Sobald wir gemeinsam die Klampfen auspacken, ist das alte Feuer wieder da und Duo Denum lebt! Wer weiß, vielleicht machen wir irgendwann mal wieder da weiter, wo wir vor zwanzig Jahren aufgehört haben. Ich könnte mir das gut vorstellen.