Mein erster Pubgig in Irland!
Wexford
Am nächsten Morgen ging ich zur Central Bus Station, kaufte ein Ticket nach Wexford und sagte Dublin
goodbeye. Ich war froh aus dieser Stadt raus zu kommen. Auf den ersten Blick hatte es mir dort überhaupt nicht gefallen. Mir fehlte die Zeit und auch das nötige Kleingeld, um diese Stadt besser kennenzulernen. Außerdem wollte ich den Rest des Landes bereisen. Wäre ich nur eine Woche in Dublin geblieben, wären meine Finanzen aufgebraucht gewesen. Ich hoffte, dass es woanders mit der Straßenmusik besser klappen würde. Während der Fahrt ließ ich in Gedanken den gestrigen Tag Revue passieren. Ich hatte in Dublin so gut wie keine Restaurants, Cafes oder Pubs gesehen wo man draußen sitzen konnte, von Biergärten ganz zu schweigen. In einem Land wo es so gut wie ständig regnet, spielt sich ein Großteil des Lebens drinnen ab. Außerdem war alles schweineteuer! Einen Kebab für ein paar Euro suchte man hier vergebens. Selbst wenn man in einen Supermarkt ging, um sich dort etwas kostengünstiger zu versorgen, war es mindestens doppelt so teuer wie in Deutschland. Das machte mir Sorgen. Ich fragte mich, ob es in Irland überall so teuer sei.
Ich schaute aus dem Fenster und betrachtete die Landschaft. Wir fuhren in südliche Richtung, raus aus der Stadt. Es dauerte eine ganze Weile, doch langsam verschwanden die Hochhäuser, Autobahnen und Schnellstraßen. Wir blieben in der Nähe der Küste und bald konnte ich wunderbare Aussichten von den grünen Hügeln runter auf das Meer genießen. Auch bewunderte ich die wunderschönen Häuser, die weit verstreut in die Landschaft gebaut wurden. In Deutschland undenkbar, hier anscheinend Normalität. Ab und zu sah ich auch ein Cottage, doch eher selten. In kleineren Städten oder Ortschaften standen alte und vor allem bunte Häuser entlang der Straße. Außerhalb der Stadt machte die Umgebung einen ruhigen und gemütlichen Eindruck auf mich.
Nach ein paar Stunden erreichten wir Wexford Town am River Slaney. Wexford Town ist eine kleine Hafenstadt mit ungefähr 18.000 Einwohnern in der gleichnamigen Grafschaft. Als ich dort ankam war es noch ein relativ ruhiges, beschauliches Nest mit einer lebhaften Hafenpromenade und einem alten Stadtkern aus der Zeit der Normannen. Der Hafen hatte allerdings keine große Bedeutung mehr, da er versandete. Zwei Jahre später wurde das Key West Centre am Kai-Ufer sowie das White's Hotel im Zentrum gebaut. Damit wollten die Stadtplaner Wexford einen internationalen Touch verleihen und mehr Touristen anlocken.
Ich lief voll bepackt von der Bushaltestelle über die 400 Meter lange Brücke auf die andere Seite des River Slane, den Hügel hinauf zum Camping-Platz. Dort suchte ich mir eine schöne Stelle mit Blick auf das Meer und baute zum ersten Mal mein Zelt auf. Das Wetter war herrlich, die Luft sauber und klar. Es wehte ein leichter, warmer Wind. Ich fühlte mich pudelwohl. So um die Mittagszeit ging ich mit meinem Gitarrenkoffer in der Hand zurück über die Brücke Richtung Stadtmitte und fing an zu spielen. Ich stand am Bullring vor der Pikeman Statue, direkt gegenüber der Undertaker Bar.
Der Bullring von Wexford City ist berühmt wegen seiner Geschichte. Dort wurde von den Normannen die Bullhatz betrieben, daher auch der Name. Der berühmte Engländer Oliver Cromwell veranstaltete ein Massaker am Bullring, als er im 17. Jahrhundert 5000 Menschen hinrichten und die Stadt bis auf die Grundmauern niederbrennen ließ. Im Jahr 1798 wurde dort zum ersten Mal die irische Republik ausgerufen und seit 1904 erinnert die Pikeman Statue an die Rebellen, die mit Spießen gegen die Engländer kämpften.
Ich stand also am Bullring, die Autos fuhren an mir vorbei und hier und da kam auch mal ein Fußgänger daher, der mir ein paar coins in den Gitarrenkoffer warf. Die Undertaker Bar hatte ein großes Schaufenster zur Straße hin. Drinnen saßen Leute, tranken Bier und beobachteten was draußen so passierte. Neugierig kamen einige vor die Tür. Irgendwann schlenderte einer von ihnen über die Straße zu mir rüber, mit einem pintGuinness in der Hand und fragte, ob ich nicht Lust hätte in die Bar zu kommen. Der Typ hatte eine Glatze und einen konisch geformten Kopf. Er erinnerte mich an die
Coneheads des gleichnamigen Films. Ich sagte ich würde auf jeden Fall vorbeikommen, doch vorher müsste ich noch ein wenig Geld verdienen.
„Whenever you’re ready“ meinet er.
Gleichzeitig tauchte ein junges Mädchen auf und legte mir 10 Euro in den Koffer. Conehead schaute verdutzt und warf noch ein paar coins hinterher. Ich dachte wenn es so weitergeht, würde ich auf jeden Fall einen längeren Aufenthalt in Wexford einplanen. In der kurzen Zeit hatte ich schon so um die 30 Euro verdient. Mehr als an einem ganzen Tag in Dublin!Nach ungefähr zwei Stunden ging ich in die Bar. Man begrüßte mich wie einen alten Freund. Die Jungs am Schaufenster riefen mich zu sich rüber und fragten was ich trinken wolle. Mir viel nichts Besseres ein und ich sagte Guinness. Schwupps hatte ich drei volle pints vor mir stehen! Ein pint Guinness ist ein Glas mit 568 ml dunklem irischem Bier, 4,2 % Alkohol und 198 Kalorien. Da standen also mehr wie anderthalb Liter von diesem Gebräu vor mir und ich bezweifelte, dass sich der bekannte Slogan „
Guinness is good for you“ in meinem Fall bewahrheiten könnte. Zumal es nicht bei drei pints bleiben würde! Ich muss dazu sagen, ich trinke kaum Alkohol.
„Ich trinke eigentlich nicht so viel“ meinte ich.
Die Jungs schauten mich nur verdutzt an und riefen dann alle gleichzeitig
„Pussy, puuussy!“
Als dann auch der Rest der Bar mit einstimmte, gab ich klein bei und trank das erste pint auf ex! Die Menge jubelte und ich fühlte mich großartig! Alle wollten wissen wie ich heiße, woher ich kam und was ich in Irland machte. Jeder stellte sich mit seinem Namen vor. Ich sagte zu Conehead, dass er aussehen würde wie Conehead und ob es ihm was ausmachte, wenn ich ihn so nennen würde. Die Menge fing wieder an zu kreischen und einer viel fast vom Stuhl! Die Stimmung war ausgelassen und ich dachte wenn das doch blos die Ella sehen könnte. Also nahm ich mein Handy rief sie an.
„Schatz, du musst dir das unbedingt mal reinziehen!“ sagte ich. Daraufhin machte ich den Fehler und hielt das Handy in den Raum.
„Meine Frau ist am Telefon“ rief ich. Jetzt fingen wieder alle an zu schreien und bevor ich es wegziehen konnte, kam Conehead ganz nah ran und rief:
„You dirty whore!“
„Was war denn das?!“ fragte Ella.
„Nichts, mein Schatz. Ich ruf dich später noch mal an!“ sagte ich und legte wieder auf.
„Du blödes Arschloch!“ sagte ich zu Conehead.
„Ich will deine Gitarre kaufen“ meinte er nur ungerührt „wie viel willst du dafür?“
„Fuck off! Die ist unverkäuflich!“ antwortete ich.
„Dann lass uns tauschen! Ich habe eine sehr schöne Gibson zuhause.“
„No sir, ich gebe sie nicht her!“
Dann kam der Berkeeper und lud mich für den morgigen Abend ein. Es sollte ein sehr guter singer-songwriter spielen und ob ich nicht Lust hätte mit zu machen. Drinks are for free! Ich sagte zu und verabschiedete mich von der Meute. Mit drei
pints intus ging ich lachend über die Brücke zurück zum Campingplatz, legte mich in mein Zelt und schlief bis zum Abend.
Es war Samstag Abend und ich war gespannt, wie das Nachtleben in Wexford wohl aussehen würde. Zum x-ten Mal an diesem Tag ging ich mit meiner Gitarre in der Hand über die Brücke und genoss dabei den Sonnenuntergang. Es war gerade Ebbe und kleinere Boote lagen am Ufer im Schlick. Die Möwen kreisten über mir. Ich fühlte mich frei und unbeschwert. Ich lief die Mainstreet hoch zur St Iberius Church und setzte mich direkt davor auf eine Bank, packte meine Gitarre aus und begann zu spielen. Ich blieb dort bis Mitternacht. Es war nicht viel los aber die Leute, die vorbeikamen gaben Geld. Irgendwann tauchte ein junger Typ auf, muss wohl so um die 18 Jahre alt gewesen sein. Er hatte schon einige
pints getrunken und wollte unbedingt mit mir zusammen singen. Er machte auch einen auf Animateur, weil er jedem der vorbeiging oder mit dem Auto vorbeifuhr zurief „Kommt rüber und hört euch das an. Der Mann hat Klasse!“ Dann kamen auch zwei junge Mädels und gesellten sich zu uns. Mit einer davon fing er ein Techtelmechtel an. Sie umarmten und küssten sich leidenschaftlich. Ich war fasziniert. Es erinnerte mich an meine Jugend. Bald verabschiedeten sie sich und wünschten mir alles Gute. Auch ich machte mich wieder auf den Rückweg und ging an der Undertaker Bar vorbei. Drinnen spielte eine Rockband, doch war ich zu müde um rein zu gehen. Auf der Brücke leuchteten die Straßenlaternen. Ich dachte, das ist also Irland, welches mir immer beschrieben wurde als das Land der freundlichen Menschen und der Musik. Und ich bin mittendrin. Zurück auf dem Campingplatz legte mich in mein Zelt und schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen wurde ich von einer strahlenden Sonne begrüßt, die direkt in mein Zelt schien. Ich schlug die Zeltplane auf und vor mir lag das glitzernde Wasser der Irischen See. Ich musste die Augen zusammenkneifen. Weit draußen sah ich Segelboote. Der Himmel war wolkenlos und strahlend blau. Es war der schönste Morgen seit meiner Ankunft in Irland. Ich vermisste Ella. Zu gerne hätte ich sie bei mir gehabt.Auf dem Gelände des Campingplatzes gab es ein kleines Bistro und ich machte mich auf dem Weg um zu Frühstücken. Draußen saßen zwei Damen, die mich freundlich begrüßten. Ich hatte einen Bärenhunger und fragte ob ich nicht ein irish breakfast haben könnte. Aber natürlich, meinte die eine und ging in die Küche. Vorher bekam ich noch eine Tasse Kaffee mit Milch und Zucker. Ich saß draußen und sah mich um. Es war Sonntag und nicht viel los. Auch die Stadt lag ruhig und verschlafen auf der anderen Seite des Flusses. Ich überlegte gerade ob es sich wohl lohnen würde heute zu spielen, als auch schon mein Frühstück kam. Das traditionelle irish breakfast besteht aus gebratenen Spiegeleiern, Speck, Schweinewürstchen, Kartoffelpuffern, weißen Bohnen, Weißwurst, Blutwurst, gebackenen Champignons und Tomaten. Dazu gibt es noch weißen Toast und Sodabrot mit Butter und Marmelade. Mit einfachen Worten: es macht das Mittagessen überflüssig. Manchmal sogar auch das Abendessen. Ich schlug zu und aß alles auf. Und wenn ich sage alles, meine ich auch alles, denn am Schluss war nichts mehr übrig. Ich klaubte sogar noch die letzten Krümel des Sodabrotes aus dem Körbchen. Hinterher bestellte ich einen gedeckten Apfelkuchen und eine zweite Tasse Kaffee.
„Na, da war wohl jemand ganz schön ausgehungert. Was darf es denn noch sein?“ fragte die Bedienung.
„Vielen Dank aber ich bin im Moment glücklich und zufrieden! Vielleicht einen frisch gepressten Orangensaft?“ antwortete ich.
Wir kamen schnell ins Gespräch. Ihr Name war Mary. Sie muss wohl so um die 40 gewesen sein, hatte eine rundliche Figur, ein hübsches, freundliches Gesicht und strahlend blaue Augen. Ihr mittellanges, blondes Haar war zu einem Zopf zusammengebunden und sie trug eine Schürze. Ich betrachtete ihre Hände. Sie hatte die typischen Hände einer Frau, die es gewohnt war in der Küche und im Haushalt zu arbeiten: kurze, saubere Fingernägel, die Haut vom Wasser etwas ausgetrocknet und leicht geschwollene Finger. Mir fiel auch auf, dass sie keinen Ehering trug.Nachdem sich ihre Freundin verabschiedet hatte, war ich der einzige Gast und Mary setzte sich kurzerhand zu mir an den Tisch. Manchmal überrascht es mich auch heute noch wie einfach es ist mit den Iren ins Gespräch zu kommen. Es fängt an mit einem
hello, how are you? Man redet über dies und jenes. Vor allem redet man jedoch übers Wetter. Das kurze Gespräch wird dann mit einem Witz oder ähnlichem beendet. Mit einem have a nice day geht dann jeder seines Weges. In Deutschland nennt man das leichte Konversation. Die Iren nennen es a nice chat, eine nette Art Hallo zu sagen oder Leute kennen zu lernen.
Iren sind sehr gesellig und neugierig. Wenn sie Zeit haben, kann man sich stundenlang mit ihnen unterhalten. Mary war zwar verheiratet, lebte jedoch von ihrem Mann getrennt. Sie hatte einen Sohn, der noch zur Schule ging. Um über die Runden zu kommen arbeitete sie am Wochenende auf dem Camping-Platz. Sonst hatte sie einen Job als Putzfrau. Nebenbei bekam sie noch Sozialhilfe vom Staat. Von ihrem Mann bekam sie nichts.
Ich erzählte ihr von meiner Familie, warum ich nach Irland kam und was ich vorhatte. Sie gab mir ein paar Tipps. Ich sollte unbedingt nach Cork gehen. Wexford wäre zwar ganz schön aber langweilig. Dagegen sei Cork eine Metropole für Musiker und Künstler. Gerade jetzt liefen Vorbereitungen für das nächste Jahr, wo Cork als die Kulturhauptstadt Europas gefeiert werden würde. Ich könnte dort als Straßenmusiker bestimmt viel Geld verdienen.Es wurde mittlerweile 12.00 Uhr und plötzlich tauchte Conehead auf. Er wollte wissen was auf der Speisekarte stand. Ich rief „Hey Conehead!“ und winkte ihm zu. Er sah mich an, als hätte er mich vorher noch nie gesehen. Da wurde mir klar, dass er sich überhaupt nicht mehr an mich erinnern konnte! Musste also ganz schön dicht gewesen sein. Er blieb dann auch nicht und ging ohne sich zu verabschieden. Soviel dazu, dachte ich.
Gegen 14.00 Uhr schloss Mary ab. Sie hatte eine Stunde Mittagspause und sagte, ich könnte ruhig noch da bleiben. In der Stadt wäre heute eh nichts los.
„Ist es hier immer so ruhig?“ fragte ich.
„Normalerweise schon. Nur wenn ein Spiel oder eine Veranstaltung stattfindet, tanzt hier mal der Bär“ meinet sie.
Sie wollte wissen wie es in Deutschland sei und ich erzählte ihr von meinem Leben als Straßenmusiker, von meiner Familie, von der Gegend in der wir lebten. Sie hörte aufmerksam zu. Auf dem Tisch stand eine volle Karaffe Eistee, die sie immer wieder nachfüllte. Das ging so weiter bis ungefähr 17.00 Uhr. Zwischendurch kam mal ein Gast vom Camping-Platz. Irgendwann verspürte ich den Drang mich zu bewegen und fragte wo man denn hier schön spazieren gehen könnte.
„Einfach links den Strand runter. Dann kommst du irgendwann mal in ein Naturschutzgebiet“ antwortete sie.
Wir verabschiedeten uns. Ich habe Mary nie wieder gesehen. Obwohl es nur eine flüchtige Bekanntschaft war, denke ich trotzdem noch ab und zu and sie und frage mich wie es ihr heute wohl geht. Ich bin seitdem auch nicht wieder in Wexford gewesen.
Das Wetter im Süd-Osten ist für Irland relativ untypisch. Im Sommer ist das Klima beständiger als im Rest des Landes. Die Tage sind angenehm warm, jedoch niemals zu heiß. Die Regenwahrscheinlichkeit ist dort im Sommer am geringsten. Wer einen sonnigen Sommerurlaub in Irland genießen möchte, sollte also in den Süd-Osten fahren. Ich ging zwei Stunden spazieren. Zuerst lief ich den Strand entlang, dann über Wiesen und Felder, wo Kühe und Schafe grasten. Hier und da sah ich ein Schild
Private Property - keep out! (Privatgelände – Zutritt verboten!). Der Weg war mehr oder weniger fest vorgegeben. Es war nicht möglich einfach mal so davon abzuweichen. Entweder man lief vorwärts oder man ging wieder zurück. Irgendwann kam ich in ein Vogelschutzgebiet. Das Gelände war umzäunt. Da standen Tische und Bänke, es gab einen kleinen See mit Enten und Schwänen, Schilder wo erklärt wurde welche Vogelarten dort lebten. Alles sehr überschaubar und langweilig. Ich ging den gleichen Weg wieder zurück. Auf dem Campingplatz nahm ich die Iso-Matte und meinen Schlafsack und legte mich vors Zelt. Bald war ich eingeschlafen.
Als ich aufwachte war es schon fast dunkel. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass ich über zwei Stunden geschlafen hatte. Trotzdem hatte ich noch mal soviel Zeit bis ich in den Pub gehen wollte. Vor 22.00 Uhr lief dort eh nichts. Ich kramte mein Tagebuch hervor und begann zu schreiben. Als das erledigt war sah ich mir die Photos auf der Digitalkamera an. Ich war erst drei Tage in Irland und hatte schon jede Menge Bilder. Da brauche ich bald eine neue Speicherkarte, dachte ich mir. Danach kramte ich mein Handy hervor und rief Ella an. Ich erzählte vom heutigen Tag und was noch alles bevorsteht. Lange konnten wir uns nicht unterhalten, wäre sonst zu teuer geworden. Abends vermisste ich sie am meisten! Es gab manchmal Momente, da wäre ich am liebsten sofort nach Hause gefahren. Doch ich war erst am Anfang meiner Reise und aufgeben ging auf keinen Fall! Außerdem war es Tagsüber gar nicht so schlimm. Ich war ja nicht nur zum Vergnügen hier, sondern musste zusehen dass auch etwas Bares rein kam.
Das alles ging mir durch den Kopf als ich vor dem Zelt saß und aufs Meer hinausblickte. Ganz weit draußen sah ich Lichter von Schiffen. Ella und ich waren zu dem Zeitpunkt seit 12 Jahren zusammen. Vor vier Jahren hatten wir am 1. Januar 2000 als das Milleniumsbrautpaar Hessens geheiratet. Eine Traumhochzeit, die wir im HR3 gewonnen hatten. Lange Geschichte. Wir haben zwei Töchter, Jana und Sarah. Seit 12 Jahren mehr oder weniger unzertrennlich, hatten wir schon viele Abenteuer zusammen erlebt. Wird schon Alter, dachte ich mir, das hältst du schon durch und bald bist du sowieso wieder zuhause. Hätte mir zu dem Zeitpunkt jemand gesagt, dass alles ganz anders kommen sollte, hätte ich wahrscheinlich nur gelacht. Doch das Leben ist spannend.
Ich trabte dann wieder über die Brücke Richtung Pub. Dort hatte sich the man of the evening schon eingerichtet. Sein Name ist mir leider entfallen, weiß aber noch genau wie er aussah. Er hatte diesen typischenrockabilly-look: Elvis Frisur mit der Tolle, kariertes Hemd, Levis Jeans mit Aufschlag und biker-boots. Wir stellten uns vor und redeten über dies und jenes. Danach stöpselte ich meine Gitarre ein und los ging’s. Der Laden war gut besucht und die Stimmung ausgelassen. Ich fühlte mich sofort wohl. Rockabilly spielte u.a. Songs von Neil Young, Bob Dylan, Bob Seeger. Ich begleitete ihn, spielte hier und da ein Solo und sang die zweite Stimme. Die Leute fanden es gut und belohnten uns mit Applaus. Ich dachte, wenn das hier immer so läuft bin ich endlich im Paradies angekommen.