Freitag, 6. August 2010

Musik: Weiter geht's!


Pierre Bensusan bei einem Konzert in Irland

So um 1982 herum hörte ich durch meinen damaligen Kumpel und Gitarrenweggefährten Wolfgang Tuch das erste mal von Pierre Bensusan. Wolfgang hatte sich die neuste Platte von Bensusan gekauft und wollte sie mir unbedingt vorspielen. Titel der Scheibe: Solilai. Ich kann dieses Hörerlebnis nur so beschreiben: es ging die Sonne auf! Ähnlich wie bei Kottke hatte ich so etwas vorher noch nie gehört. Doch Bensusans Musik und Gitarrenstil ist völlig anders. Eine Mischung aus alt englischer und irischer Folklore mit orientalischen Einflüssen und einer Prise Jazz und Latin. Das Ganze auf Spieltechnisch allerhöchstem Niveau. Absolute Weltklasse!

Natürlich wollte ich das sofort spielen! Ich kaufte mir The Guitar Book, das erste Buch von Bensusan, wo praktisch alles drin steht was aus seiner Gitarren- und Musikphillosophie hervorgeht ... sogar Kochrezepte! Doch ich merkte sehr schnell: schwer, sehr schwer! Ähnlich wie beim Flamenco ist das genaue Nachspielen von Bensusan-Stücken ein absoluter fulltime job. Dazu muss ich etwas mehr ausholen:

Ein Virtuose (egal ob auf der Gitarre oder irgendeinem anderen Musikinstrument) ist zeitweise ziemlich einsam, weil er alles seinem Instrument unterordnet und die meiste Zeit damit verbringt im stillen Kämmerlein zu üben. Das geht über Wochen, Monate , Jahre. Man hört immerwieder von diesen Wunderkindern, die im frühen Alter ein Instrument spielen, als wären sie damit auf die Welt gekommen. Wärend andere Kinder draußen spielen, sitzen die Wunderkinder jedoch schön daheim und üben. Geht auch nicht anders. Selbst wenn man ein super Talent ist, kommt man nicht um das Üben herum. Das ist Grundvoraussetzung, damit das Instrument zu einer Art Medium wird, das man ohne viel darüber nachzudenken einsetzt um sich zu artikulieren. Ungefähr so wie die Stimme beim Reden.

Ich wollte spielen können wie Kottke und Bensusan. Ich wollte ein Virtuose sein, einer der Besten. Es sollten einige Jahre in's Land gehen bis ich merkte, dass ich das garnicht bin. Dazu später mehr. Auf jeden Fall fing ich an Bensusan nachzuspielen. An der Nummer Nice Feeling biss ich mir die Zähne aus. So richtig spielen konnte ich sie nie aber das Schöne war, dass sie mich inspirierte und ich daraus eigene Sachen komponierte. Außerdem bekam ich einen kleinen Einblick in die Welt oder bessergesagt das Universum des Pierre Bensusan. Es war einfach unglaublich was ich da sah. Doch es war seine Welt und nicht meine.

Bensusan ist für mich auch heute noch ein Hörgenuss. Nicht nur wegen seinem Gitarrespiel, sondern weil seine Musik wunderschön ist. Ich würde ihn als Mozart der Akustikgitarre bezeichnen und kann ihn nur wärmstens weiterempfehlen.

Doch es passierte noch etwas anderes. Eines Abends spielten Wolfgang und ich im Hauptprogramm einer Gitarrenveranstaltung im damaligen Folk-Club Globus in Darmstadt. Es gab jede Menge Gitarristen und wie gesagt Wolfgang und mich als top act. Die Leute waren muksmäuschen still, saßen schön gepflegt auf den Stühlen und hörten zu. Doch dann kam die Überraschung: plötzlich tauchten da so zwei Typen auf und stahlen uns die Show! John Strong und Chris Jones. Beide waren auf Deutschland-Tour und kamen gerade mal so vorbei. Als sie dann loslegten war es mit dem zivilisierten Benehmen des Publikums vorbei. Die Leute standen auf den Stühlen und jubelten wie die Verrückten. Ich übrigens auch! Und wieder mal: so etwas hatte ich noch nie gesehen! Die beiden spielten Blues-Rock auf askustischen Gitarren und klangen wie eine Band. Dazu sangen sie zweistimmig. Ich war hin und weg!
Wir blieben dann noch bis spät in die Nacht und spielten uns gegenseitig vor. Doch als wir jamten merkte ich sehr schnell, dass ich diesen Jungs das Wasser nicht reichen konnte. Ich, der guitar hero aus Hanau kam mir wie ein blutiger Anfänger vor. Und genau das war ich auch. Ich konnte zwar Stücke spielen aber wenn es darum ging mit jemanden zusammenszuspielen und zu improvisieren, war ich eine Pfeife. Singen konnte ich auch nicht.

Es dauerte eine Weile bis ich das verarbeiten konnte. Doch dieses Schlüsselerlebnis zeigte mir, dass es da noch mehr gab als Kottke, Bensusan und virtuoses Rumgezupfe! Es gab eine neue Welt zu entdecken und da wollte ich unbedingt hin!

Chris Jones war gerade im Begriff sich in Darmstadt niederzulassen. Ich nahm ein paar Stunden Unterricht bei ihm und er zeigte mir dies und jenes aber richtig was anfangen konnte ich damit noch nicht. Ich war zu sehr Virtuose, festgefahren in musikalischen Schemen und Abläufen. Er blieb dann noch einige Jahre in der Gegend und ich sah ihn oft live im Jazz Keller Hanau. Jedes seiner Konzerte war ein Erlebnis, ein Wunder, ein Film.

Ich weiß noch wie er mal Rosie von Jackson Browne zum besten gab. In der Nummer geht es im Grunde genommen um's Onanieren: da ist diese Band und der Roadie, der während des Konzerts ein Auge auf ein schönes Mädchen geworfen hat. Doch am Ende bekommt sie einer der Musiker und der Roadie geht wieder mal leer aus. Er holt sich dann wie immer einen runter. Der Refrain geht so:

But rosie you’re all right -- you wear my ring
When you hold me tight -- rosie that’s my thing
When you turn out the light -- I’ve got to hand it to me
Looks like it’s me and you again tonight rosie

Als Chris anfing die erste Strophe zu singen wo es heißt She was standing at the load-in when the trucks rolled up ... habe ich die Trucks wie in einem Film direkt vor meinen Augen gesehen.
Ich hatte Gänsehaut und alle im Jazzkeller waren wie verzaubert.

DAS nenne ich Kunst!

Ich habe jahrelang die Musik von Chris Jones gehört. Er ist einer der wichtigsten Musiker, die mich grundlegend musikalisch beeinflusst und verändert haben. Ich widmete ihm ein Instrumentalstück mit dem Titel The Magic Man. Denn wenn er spielte und sang war es einfach nur magisch. Als er dann Deutschland verließ, tingelte er durch die Weltgeschichte und machte mit anderen Leuten Musik. Oft hatte er nicht viel mehr als nur seine Gitarre bei sich. Bei ihm hatte ich das Gefühl, er wäre mir immer einen Schritt voraus. Ich konnte niemals das tun was er tat: die Musik zu leben!

Leider starb Chris Jones vor drei Jahren an Krebs.

2 Kommentare:

  1. Hi Nenad,
    gibts mal ein Video von Dir beim buskern (Ich hoffe das nennt man so)? Ennis ist fuer mich momentan sehr weit weg....

    slan,
    irlandwolfi

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  2. Hi Wolfi,
    es gibt ein paar Clips aber nix besonderes. Nur so kurze Ausschnitte. Wenn ich mal in der Art was reinsetze, muss es auch gut sein. Gibt eh schon genug Müll. Will aber irgendwann ein paar gute Clips von mir machen und bei YouTube posten. Kommt dann natürlich auch hier rein.

    Gruß
    Nenad

    PS. es heißt "busken" ;o)

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