Dienstag, 29. November 2011

Irish Traveller - Teil I


Irish traveller 1946


Irish traveller heute


Eines vorneweg: Ich hab absolut nichts gegen Irish Traveller. Ich bin aber auch nicht gerade ein Fan von ihnen. Faszinierend finde ich sie allemal!

Ich will jetzt hier auch nicht einen auf Experten machen. Wer mehr über Traveller wissen möchte kann es hier nachlesen. Dabei sollte man sich das mit der DNA auf der Zunge zergehen lassen ...

Mir geht es vielmehr darum zu erzählen was wir in Sachen "Traveller" schon erlebt haben. Dabei ist es natürlich ein Unterschied, ob man sie nur ab und zu mal sieht oder ob man in ihrer unmittelbaren Nähe lebt.

Seit wir in Dun Na Hinse wohnen, sind Traveller unsere Nachbarn. Das Viertel hat einen schlechten Ruf, da hier früher vorwiegend Traveller-Familien lebten. Viele von ihnen sind weitergezogen und jetzt lebt nur noch eine Familie hier. Diese Familie soll angeblich dafür verantwortlich sein, dass alle anderen weggezogen sind. Im Dokumentarfilm Bare Knuckle spielen die Joyces auch eine Rolle. Ich kümmere mich um eines ihrer Ponys. Die irischen Hausbesitzer, die hier im Viertel leben setzen sich dafür ein, dass die anderen Hausbesitzer, die hier nicht leben an keine Traveller mehr vermieten.

Traveller sind stolze Leute, denn Stolz ist oft eines der wenigen Dinge, die ihnen noch geblieben sind. Stolz, Tradition und Religion. Familienfehden sind ein Teil der Tradition. Obwohl sie mehr oder weniger alle miteinander verwandt sind, bekämpfen sie sich bis aufs Blut. Nicht nur Mann gegen Mann, sondern auch Frau gegen Frau. Wenn man das live mitbekommt, hat man das Gefühl, man wäre irgendwo in einem schlechten Film gelandet. Gleich am ersten Tag als wir hier einzogen, kämpften abends zwei Frauen und rissen sich gegnseitig die Haare und Klamotten vom Leib!

Solange man sich nicht einmischt oder ihnen dumm kommt, lassen sie einen in Ruhe. Macht man den Fehler zu glauben sie wären dumm und behandelt sie respektlos, hat mein ein Problem. Will man sie irgendwie belehren, ist man ein wise arse, ein Klugscheißer und man hat ebenfalls ein Problem. Am besten lässt man sie ganz in Ruhe.

Problematisch wirds manchmal mit ihren Kindern und Jugendlichen. Ein irischer Freund sagte mal, dass die Eltern alles daran setzen aus ihren Kindern ein pain in the arse zu machen. Ein anderer sagte, sie wären fearless. Beides trifft mehr oder weniger zu, denn Kindererziehung und Pädagogik ist in ihrer Tradition nicht enthalten, jedenfalls nicht so wie wir es kennen. Einmal wurde ich in der lane von ein paar greenhorns blöd angemacht. Einer davon war ein Traveller dessen Vater im Knast saß, weil er einem Nachbarn ein Messer in den Hals rammte nachdem dieser seinem Sohn eins hinter die Löffel gegeben hatte. Die Jungs machten sich einen Spaß daraus mich zu verarschen. Ich zog mir das ein paar Wochen rein bis mir der Kragen platzte. Anhand der Schuluniform konnte ich erkennen welche Schule sie besuchten und ging dorthin, um mich zu beschweren. Da ich ihre Namen nicht kannte zeigte mir der Schulleiter ein paar Bilder der üblichen Verdächtigen. Die Jungs waren dabei. Als der kleine Traveller vor uns stand lachte er uns nur aus. Daraufhin wurde er für eine Woche suspendiert. Ich sagte, dass ich ihm das nächste Mal eins hinter die Löffel geben würde. Seine Antwort: "My father will knock you down!" Der Vater wurde darufhin zur Schule bestellt und war garnicht pleased. Am nächsten Tag lief der Kleine mit einem blauen Auge an mir vorbei und sah ziemlich unhappy aus, dass er mir fast schon wieder leid tat.

Man sollte nämlich wissen: die Traveller respektieren mich, da ich ein busker bin. Einer, der so wie sie am Rande der Gesellschaft lebt. So sehen sie es zumindest. Da kann es natürlich nicht sein, dass einer ihrer Jungs mich blöd anmacht, zumal sie ja ständig davon reden von der Gesellschaft diskriminiert zu werden. Dabei kommt es auch darauf an, wie man ihnen gegenüber steht. Hätte ich dem Jungen eins hinter die Löffel gegeben, wäre noch am gleichen Tag sein Vater bei mir aufgetaucht.

Es leben ung. 5 Traveller-Familien in Ennis. Jeder kennt sie. Ich hatte schon mehr oder weniger mit allen zu tun. Als ich nach Irrland kam, hatte ich keine Ahnung wer oder was Traveller sind und legte mich mit ihnen in der lane an. Bei einer Beerdigung kam es einmal fast zur Schlägerei. Damals knöpfte ich mir auch die Kinder vor als sie versuchten mir mein Geld zu klauen und schüttelte sie durch. Komischerweise wurde ich danach respektiert und freundlich gegrüßt.

Dabei muss man unterscheiden können zwischen Travellern und irischen Asozialen, die eben keine Traveller sind, sich aber gerne als solche geben und mit ihnen anfreunden, so ganz nach dem Motto gemeinsam sind wir stärker. Sie werden niemals richtig akzeptiert. Selbst für Traveller sind irische Asoziale einfach nur scumbags. Einmal trat ich so einem scumbag in den Arsch und wurde dafür verhaftet und in Handschellen abgeführt. Hinterher kamen u.a. auch Traveller zu mir in die lane, um mir zu gratulieren und die Hand zu schütteln. Einer sagte sogar: "You are a real gentleman!" Das war vor vier Jahren. Seitdem nennen sie mich the german busker.

Es geht um Ehre. Wird man von ihnen blöd angemacht (was relativ selten vorkommt), muss man seinen Mann stehen ohne gleich beleidigend zu werden. Ich habe schon in Pubs gespielt, die waren voll mit Travellern und hatte nie Probleme. Sie benahmen sich freundlich und höflich. Im Vergleich dazu machte ich mit normalen Iren ganz andere Erfahrungen.

4 Kommentare:

  1. Muss man heute noch so leben, oder will man einfach nur so leben ? Ich meine freiwillig ein Leben am Rande der Gesellschaft, mit eigener archaischer Ordnung und "Wertvorstellung". Als Außenseiter und Zielscheibe, stets in den Reihen "der üblichen Verdächtigen" und somit immer im Fokus von Justiz und Polizei.

    Verstehe mich nicht falsch, ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger von direkter Demokratie, mildem Anarchismus, zivilem Ungehorsam und notfalls auch "Widerstand gegen die Staatsgewalt". Aber nur dort und dann wo nötig, nicht überall dort wo möglich. Und keinesfalls mit krimineller Energie oder ähnlichem Hintergrund.

    Ich denke Traveller, Gypsies, Sinti und Roma haben sich, was den Lebensstil betrifft, überlebt. Welcome to the 21st century !

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  2. Gibt auch welche, die haben da keinen Bock mehr drauf. Vor Jahren gab es mal diesen Fall in Dublin oder Limerick (weiß nicht mehr so genau): da war eine Traveller-Familie, die ließ sich dauerhaft nieder und wohnte einem Estate. Das wiederum passte den anderen Travellern überhaupt nicht. Die kamen aus allen Ecken und Enden Irrlands und tyranisierten diese Familie. Es gab einen regelrechten Krieg, wo auch die Anwohner in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das Besondere an der ganzen Sache war jedoch, dass die Anwohner sich auf die Seite der sesshaften Famillie stellten. Ich weiß noch wie darüber im Radio berichtet wurde und ein Anwohner sich für die Familie aussprach. Weiß nicht was daraus geworden ist.

    Auch hier im Viertel haben sie sich anscheinend dauerhaft niedergelassen. Trotzdem haben einige den Trailer vor dem Haus stehen. Für den Fall der Fälle. Steckt halt in ihrem Blut ...

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  3. Ein toller Bericht. Macht wirklich viel Spass deine Artikel hier zu lesen. Danke

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  4. Gerngeschehen! Hat du auch meine anderen beiden Posts ueber Traveller gelesen?

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