... nennt man in Irland Strassenmusik. Ich buske schon seit fast 30 Jahren. Angefangen habe ich damit waehrend meiner Studienzeit. Ich war damals auf dem Hochs Konservatorium in Frankfurt als ich eines Tages ueber die gerade fertiggestellte Zeil lief und Gitarrenmusik hoerte. Ich weiss noch, es war Winter, bitterkalt und ein wunderschoener Tag. Dort sah ich also diesen Typ auf einem kleinen, batteriebetriebenen Verstaerker sitzen und klassische Gitarre spielen. Er spielte genau die gleichen Stuecke von Bach und Villa-Lobos, die ich gerade auf dem Konservatorium lernte. Ich war total gefangen und fragte mich: Wie kann denn jemand bei so einer Eiseskaelte virtuose Gitarrenmusik spielen?!
Bald kaufte ich mir auch einen kleinen Amp (Fender Sidekick, 10W), nahm meine Lowden-Gitarre und ging auf die Zeil. So begann meine Kariere als Strassenmusiker. Ned (so hiess der andere Gitarrist) und ich waren die Einzigen, die damals dort spielten. Wir teilten uns die Zeil.
Ned und seine Frau Helena erzaehlten, sie kaemen aus Kanada. In Wirklichkeit kamen sie aus Makedonien. Sein richtiger Name war Nenad (was fuer ein Zufall :o) und beide wollten mich erstmal richtig kennenlernen bevor sie mir ihre wahre Herkunft verrieten. Eines sollte man naemlich wissen: mit uns Jugoslawen ist nicht immer gut Kirschen essen und man muss vorsichtig sein mit wem man es da zu tun hat! Ned und Helena zogen schon seit einigen Jahren durch die Weltgeschichte. Dabei trugen sie ihr ganzes Hab und Gut bei sich: drei Gitarren, Video-Rekorder, Schallplatten und Klamotten. Sie hielten sich illegal in Deutschland auf und lebten in einer kleinen Wohnung in Offenbach. Hinzu kam noch Bob, ein Rumaene und ehemaliger Musiker, der jahrelang auf Schiffen in einer Jazzband Schlagzeug spielte. Er kreuzte ueber die Weltmeere bis zu dem Tag als sein Schiff wegen Reparaturarbeiten in Rotterdamm einlaufen musste und er arbeitslos wurde. Seitdem lebte und arbeitete er in einem Hotel in Offenbach. Soweit mir bekannt, ist er heute noch dort.
Wir waren eine Clique und es war die schoenste Zeit waehrend meinem Studium. Nach ungefaehr zwei Jahren zogen Ned und Helena nach Amsterdam. Bob und ich kamen einmal zu Besuch. Kurz davor brach jemand in ihre Wohnung ein und klaute Ned's suendhaft teure Jazzgitarre, eine Gibson L-5. Kostenpunkt: 8.000$!!! Helena erzaehlte, Ned haette danach einen Monat Tag und Nacht gespielt, um sich wieder eine neue L-5 kaufen zu koennen! Er war ein ausgezeichneter Gitarrist und Musiker, spielte hervorragend Klassik und noch besser Jazz! Wir haben uns dann irgendwann aus den Augen verloren und ich habe die Beiden nie wieder gesehen. Wenn ich etwas von Ned und Helena gelernt habe: Live your dreams!
Nach insgesammt fuenf Jahren brach ich mein Musikstudium ab. Ich langweilte mich an der Uni zu tode. Jeden Tag schaute ich bei den Vorlesungen aus dem Fenster und dachte, ich sitze hier und draussen zieht das Leben vorbei. Ich konnte es kaum erwarten wieder auf die Zeil zu kommen! Einmal kam sogar meine damalige Gesangslehrerin mit, um sich das ganze mal anzusehen. Wir fuhren beide mit der Ubahn von Bockenheim zur Hauptwache: ich mit meinem Krempel und sie in ihrem suendhaft teurem Nerz. Oben auf der Zeil stand sie dann mir gegenueber und klatschte begeistert Beifall. Sie war eine wunderbare Frau! Gott segne sie.
Ich weiss nicht wie lange das mit der Zeil so weiterging. Irgendwann wurde es mir zu hektisch und zu voll! Ich kaufte mein erstes Auto und begann kleinere Staedte zu erkunden. Kleinere Fussgaengerzonen. Nach ein paar Jahren hatte ich dann ung. 15 Staedte in einem Radius von ca. 80-100km um Hanau. Es gab so eine Art Zwei-Wochen-Rhytmus, d.h. alle 14 Tage spielte ich in der gleichen Stadt. Ausserdem gab ich noch Gitarrenunterricht.
Busking in Frankfurt, Anfang der 80er ... dann erinnerst Du Dich sicher auch noch an den Schwarzen mit den kurzen Rasta-Locken und der enormen Stimme, der immer wieder in der B-Ebene der Hauptwache mit seiner Gitarre auftauchte? Und den Geiger, der eben dorten mit Rauschebart ganze Klassikkonzerte zum Besten gab?
AntwortenLöschenKlar erinnere ich mich! Der Schwarze hiess "Fipps" (glaube ich) und hatte Schuhgroesse 50! Er spielte auch in dieversen Bands. Den Geiger kannte ich nicht persoenlich, kann mich aber noch gut an ihn erinnern...
AntwortenLöschenHi Nenad, interessanter Hintergrund - vom akademischen Musikgebaren (verständlicherweise) angeödet auf der Straße gelandet... Habe dein Blog gestern entdeckt und mir heute Morgen gedacht, dass ich gern mal wissen würde, a) warum du nach Irland gegangen bist und b) wie deine Veränderungspläne so aussehen - zurück nach Deutschland oder weiter in ein anderes Land?
AntwortenLöschenStrassenmusik kann Spass machen (siehe meinen Irlandurlaub letztes Jahr...)
AntwortenLöschen...aber wenn's zum 'Muss' würde, hätte ich keine Lust dazu.
Oder aber es müßte immer schön warm sein - so wie in Venice Beach, CA.
Dort lebt meine alte Freundin Bettina 'Nina' Dowd mit ihrem Mann Matt Dowd, einem echt guten Gitarristen und Sänger, der dort den Labensunterhalt seiner Familie durch Strassenmusik an der Strandpromenade verdient.
Geb mal bei YouTube 'Matt Dowd' ein & du kannst ihn in action erleben...
Das geht mir mit arbeiten auch so: kann Spass machen aber wenn's zum muss wird, sieht's anders aus ;o)
AntwortenLöschenDu hast mir glaube ich schon mal von Matt Dowd erzaehlt ... ich check's mal aus!
Matt Dowd: hab's mir eben gerade auf Youtube angeschaut! Geil :o)
AntwortenLöschenhttp://www.youtube.com/watch?v=0L7EFYlX22o&NR=1
und
http://www.youtube.com/watch?v=QjBjefYHhA8&feature=related