Dienstag, 2. Februar 2010

Irish Hospital Odyssey



Angefangen hatte es mit einer Mandelentzuendung. Nach einer Woche Woche wurde es besser und Ella ging wieder arbeiten. Kurz danach klagte sie ueber Knieschmerzen. Nach zwei, drei Tagen schwoll das rechte Knie an und sie musste wieder zum Arzt. Der ueberwies sie sofort in’s Krankenhaus. Ab da wurde es lustig!

Wir gingen zuerst zum Western Hospital in Ennis. Als wir so gegen 17.00 Uhr dort ankamen, war der Wartebereich gerammelt voll. Die Leute sassen nicht nur im Wartezimmer (das man als solches garnicht bezeichnen kann, Wartekammer mit kleinem Fernseher oben in der Ecke wuerde es eher treffen), sondern auch im Gang, auf der Treppe und draussen. Wir bekamen einen Rollstuhl (welch Luxus!) und setzten uns unter die Treppe. Dort verbrachten wir die naechsten fuenf Stunden! Mit uns warteten u.a. ein Vater mit seinem kleinen Sohn, der eine Kopfvereltzung hatte, eine Mutter deren Sohn ein verdrehtes Knie hatte, ein Typ mit gebrochenem Handgelenk. Diese Leute kamen ung. zur gleichen Zeit wie wir und warteten genauso lang! Zwischendurch wurde Ella geroengt.

So gegen 22.00 Uhr kamen wir dann endlich an die Reihe. Die Behandlung dauerte zwei Stunden und war ausserordentlich gruendlich. Es wurde Blut und Gelenkfluessigkeit abgenommen. Das Blut wurde vor Ort untersucht. Der behandelnde Arzt (ein weisser Suedafrikaner aus Durban) machte einen total ueberarbeiteten und mueden Eindruck. Er war der einzige Doktor fuer alle, machte seinen Job jedoch hervorragend! Ich habe selten jemanden so schnell und effizient arbeiten gesehen. Zudem war er auch noch freundlich. Er erzaehlte, das Problem waere nicht die Tatsache, dass er der einzige Arzt vor Ort waere, sondern die Patienten, die eigentlich garnicht hier sein muessten: aeltere Leute, die sich einsam fuehlten und deshalb regelmaessig in’s Krankenhaus gehen. Dabei deutete er in Richtung einer aelteren Frau, die Zuckerkrank war, ihre Medikamente jedoch vorsaetzlich nicht einnahm und sogut wie jeden Tag auftauchte. Einfach wieder wegschicken kann man diese Leute nicht, denn sollte ihnen tatsaechlich was passieren, ist das Krankenhaus verantwortlich!

So gegen 24.00 Uhr waren wir dann endlich draussen, mit einer Ueberweiseung in die orthopaedische Abteilung des Regional Hospitals in Limerick. Die Tuer war abgeschlossen und die Lichter aus. Der afrikanische Arzt haette um 21.00 Uhr Feierabend haben sollen und war immer noch da!

Am naechsten Tag ging’s also nach Limerick. Wir kamen auch gleich an die Reihe. Bessergesagt liess man uns in das innere Sanktuarium der Intensivstation. Dort warteten wir den ganzen Tag, mitten im Chaos, in einem kleinen Wartezimmer (noch kleiner als das in Ennis!), auf dem Gang, im Behandlungszimmer. Egal wo, es war immer ueberfuellt! Der Begriff Intensivstation bekommt hier eine ganz neue Bedeutung: intensiv warten! Warten darauf, dass man einen Stuhl bekommt, ein Bett, auf die Schwester, den Arzt, auf Information, den Befund. Warten darauf, dass man endlich wieder nach Hause gehen kann. Ella sollte nuechtern kommen. Nach 12 Stunden ohne essen und trinken, sah sie schon ziemlich mitgenommen aus. Haette ich nicht darauf bestanden, dass sie was zu essen bekommt, waere sie warscheinlich in Ohnmacht gefallen! Der einzige Komentar einer Krankenschwester: Sie waere noch jung und wuerde das schon durchhalten!

Nach etlichen Stunden kam dann endlich ein Arzt, um sie zu untersuchen. Er konnte jedoch nichts entscheiden. Deshalb warteten wir wieder ewig auf den Chefarzt. Dieser entschied, dass Ella ueber Nacht bleiben muesste, um am naechsten Tag von einem Spezialisten untersucht zu werden.

Der kam weder am naechsten, noch am uebernaechsten Tag! Nachdem sie schon zwei Tage im Krankenhaus nichts warmes gegessen hatte, wollten wir in die Kantine, durften aber nicht, da der Spezialist jeden Moment auftauchen sollte. Wir gingen trotzdem und als wir zuruekkamen war er immer noch nicht da! Zwischendurch wurde immerwieder Blut abgenommen und der Puls gemessen. Es wurden auch neue Roentgenbilder gemacht, obwohl wir welche aus Ennis mitgebracht hatten. Angeblich waeren sie nicht gut genug. Ella erzaehlte spaeter, das Roentgengeraet in Limerick haette ausgesehen als stamme es noch aus dem ersten Weltkrieg. Das in Ennis war dagegen funkelnagelneu, made by Siemens!

Nach drei Tagen entschied ich, sie da wieder rauszuholen. Ich ging zur Rezeption und sprach mit der Oberschwester. Ich sagte, dass sie wohl zuhause besser aufgehoben waere, zumal man nicht viel mehr taete als ihr painkillers zu verabreichen. Ja, erwiederte die Schwester, aber der Spezialist muesste sie noch untersuchen. Er ware sehr beschaeftigt muesste jedoch bald auftauchen. Ploetzlich hoert man eine Stimme aus dem Hintergrund: ich bin hier! Da sitzt er am Komputer, ein Schwarzer, direkt hinter der Oberschwester! Mein Gott, denke ich, seit ihr alle bescheuert oder was?!

Der Spezi stellt septische Arthritis fest und entscheidet Ella muesse bleiben. So koennte man sie auf keinen Fall gehen lassen. Ausserdem wuerde er gerne noch einen Kollegen zur Konsultation hinzuziehen. Ok, denken wir, was sein muss, muss sein! Wir machen eine Liste von all den Sachen, die sie ueber die naechsten Tage braucht und ich fahhre wieder nach hause.

Am naechsten Tag klingelt mein Handy. Ella ist dran: man haette sie gerade entlassen! Der Spezi waere wiedergekommen, haette sie nochmal kurz untersucht und entschieden man koenne nicht mehr viel fuer sie tun. Innerhalb von 10 Minuten wurde sie aus dem Bett in den Flur komplimentiert (man braeuchte das Bett fuer andere Patienten, die warten schon!), wo sie erstmal nur rumsitzt und darauf wartet, dass man sie runter in die discharge launch bringt ... nicht im Rollstuhl (es ist gerade keiner vorhanden), sondern im Buerostuhl! Wir sind erleichtert aber gleichzeitig fuehle ich mich irgendwie verarscht: was sollte denn die Aussage des Spezis am Vortag?! Irgendwie beschleicht mich das Gefuehl, dass es hier mal wieder nur um’s Geld geht: bei drei Tagen Krankenhausaufenthalt (900 Euro pro Tag), dem Roentgen und den Behandlungen kommt schon was zusammen! 900 Euro wohlgemerkt fuer ein Einzelzimmer, nicht fuer das Mehrbettzimmer, in dem sie gelegen hatte. Auf dem Formular wurde jedoch "Einzelzimmer" vermerkt!

Soviel Geld fuer was, frage ich mich! Die Versorgung ist eine Katastrophe! Natuerlich weiss ich, dass ein Krankenhaus kein Hotel ist aber ein gewisses Minimum an Versorgung, einen europaeischen Standard kann man doch wohl noch erwarten! Wir sind doch hier in Europa oder etwa nicht?! Anscheinend nicht. Selbst vor 30 Jahren im Ex-Jugoslawien war ein Krankenhausaufenthalt besser als heute in Irland! Es fehlt an allem. Als Ella z.B. duschen wollte, gab es keine Handtuecher. Dafuer bot man ihr ein Bettuch an! Das Essen ist unter aller Sau. Das Kantinenessen geht, kostet natuerlich. Kamillentee kennt man hier ueberhaupt nicht. Der naechste Supermarkt ist zwei Kilometer entfernt, denn egal was man im Krankenhaus haben moechte, es ist nicht vorhanden.

Die Aerzte kommen alle aus irgendwelchen exotischen Laendern, irische Aerzte findet man dagegen selten. Wenn es einen gibt, hat er die oberste Befehlsgewalt. Dr. Muhammed
hat nix zu entscheiden. Die Nurses sind voellig ueberfordert, machen aber ihren Job souveraen (meistens jedenfalls).

Die Patienten ertragen alles mit einer stoischen Gelassenheit, die fast schon an Dummheit grenzt! Keiner beschwert sich oder muckt sonst irgendwie auf. Das Wort “No” existiert in diesem Zusammenhang ueberhaupt nicht. Man ist froh, dass man aufgenommen wurde, hofft bald dran zu kommen und schnell wieder weg zu sein. “Well, that’s the irish health-system, you know ...!”

Alle sind nett, freundlich und ausgesprochen humorvoll. Waere das nicht so, gaebe es Krieg! Aber was nuetzt das einem Patienten, der stundenlang mit gebrochenem Arm oder halb abgeschnittenem Daumen verblutend oder mit Kopfverletzung ... oder ... oder ... oder ... warten muss?! Immerhin werden ab und zu tea and cookies verteilt!

...

Irland ist ein Entwicklungsland. Ein Land, in dem man jeden Tag ueber den Tisch gezogen wird. Hier wird einem Muell fuer viel Geld verkauft. Man kauft diesen Muell, weil man keine Wahl hat. Dieses Land gaukelt dem Touristen einen Standard vor, der dem hier lebenden Otto-Normalverbraucher im taeglichen Leben nicht zur Verfuegung steht, weil er sich diesen Standard einfach nicht leisten kann.


Irland ist ein Entwicklungsland. Dafuer hat es das best organisierte Pub-Business auf der ganzen Welt. Im Saufen sind die Iren unuebertroffene Weltmeister! Waere alles andere genauso gut organisiert, braeuchte man sich ueberhaupt keine Sorgen mehr machen. Das Land waere ein Vorzeigemodell fuer moderne Infrastruktur.

So wie es ist, wuensche ich dieser Mafia-Regierung in Dublin und allen ihren Mitgliedern einen ueberaus langen Aufenthalt im Saustall Limerick, den man
Regional Hospital nennt!


Als Deutscher faellt es einem schwer, das alles einfach zu akzeptieren. Mir geht es auf jeden Fall so. Die Iren ertragen es, indem sie sich den Kopf zusaufen. Die Jugendlichen fahren sich zudem noch alle moeglichen Drogen ein, die sie nur kriegen koennen.

Und wenn jetzt wieder irgendso ein Arschloch meint, ich waere negativ eingestellt, so soll er hierherkommen und es mir persoenlich in’s Gesicht sagen, damit ich ihm oder ihr ganz persoenlich in den Arsch treten kann ... mit einem durchaus positiven: f
uck you!

...

EDIT: habe eben gerade beim GP (Hausarzt) angerufen, Ella braucht eine neue sicknote (Krankmeldung) fuer ihren Job: 45 EURO!

Herrlich ...

4 Kommentare:

  1. Mhhhm...
    Irgendwie fällt mir dazu ein : "Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu..."
    Will damit sagen, das die Berichte in deinem 'Irischen Tagebuch' von mal zu mal mehr den Schluss zulassen, das dir dieses Land gehörig auf den Sack geht .... :-)

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  2. Damit hast Du mehr oder weniger recht!

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  3. Ich denk mir das auch grade so. Schätze mal, dass der Sommer 2010 Euer letzter hier ist, oder?
    Das Wichtigste: Ich hoffe, Ella geht es wieder besser.
    So unreal diese Schilderungen in einem (ehemaligen) Vorzeigeland auch klingen mögen - und nachvollziehen kann man es sicher nur 1:1, wenn man es selber durchgemacht hat - es hat sicher nichts mit negativer Einstellung zu tun. Und das wird Euch auch in diesem Zusammenhang niemand unterstellen. Eher mit Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und dringenden Fluchtgedanken. Die ich angesichts Deiner Schilderungen hier in diesem Blog gut nachvollziehen kann.
    Ich wünsche Euch, dass Euch euer Weg in die richtige Richtung, oder besser gesagt ans richtige Ziel bringt. Vielleicht in ein Land mit einem Krankenhausstandard, der so halbwegs in das 21. Jahrhundert passen wird.

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  4. Ich wuenschte es waere unser letzter Sommer hier, Harald. Aber so schnell werden wir wohl nicht wegkommen: kein Geld! Trotzdem danke ich Dir fuer Deinen Zuspruch. Ich weiss das wirklich zu schaetzen.

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