Mittwoch, 17. März 2010

Musiker in Deutschland


Stoppok, einer der originellsten deutschen Musiker

Mir hat mal jemand gesagt: Wenn Du in Deutschland von der Musik leben willst, musst Du Scheissmusik spielen! Eigentlich braeuchte man jetzt garnix mehr dazu sagen, weil es trifft den Nagel auf den Kopf. Das Lustige bei uns Germanen ist ja immer dieser hohe Anspruch, den wir an uns selber und andere stellen. Diese Ernsthaftigkeit und der Perfektionismus. Letztendlich kommt dann meistens doch nur Muell dabei raus. Das beste Beispiel dafuer ist die Musik in Deutschland (Ausnahmen bestaetigen die Regel). Die Frage, die ich mir schon immer gestellt habe lautet: Warum ist das so? Gerade wir Deutschen, das Volk der Dichter und Denker muessten es doch besser koennen als alle anderen. Deutschland, die Wiege der klassischen Musik. Wo ist das alles geblieben?

Nach dem zweiten Weltkrieg war Deutschland eine Truemmerlandschaft ... auch im musikalischen Sinn. Viele der damals alten und neuen Volkslieder wurden waehrend der Nazizeit durch Gleichschaltung zu gunsten der Nazi Propaganda regelrecht eingestampft. Als das vorbei war kamen die Amerikaner ... und mit ihnen Elvis. Dann kamen noch Bill Haley, die Beatles und die Rolling Stones. Die Deutschen hatten so etwas noch nie gehoert oder gesehen. Ein Auftritt der Beatles war so sensationell wie die spaetere Mondlandung! In den Ami-Clubs wurde Rock&Roll, Blues und Jazz gespielt. Natuerlich wollten die deutschen Musiker mitspielen und das taten sie auch mit Erfolg. Viele der spaeteren deutschen Stars wurden hier "geboren". Danach kamen Woodstock, Hendrix, Flower-Power und die Protestsongs.

Das alles haben junge Deutsche aufgesaugt wie die Muttermilch, wurden dadurch gepraegt. Das Einzige was von deutscher Musik uebrig blieb war die Klassik, die Marsch- und Volksmusik. Die junge Generation wollte davon nichts wissen. Auch nicht vom deutschen Schlager, der meiner Meinung nach am origenellsten die deutsche Seele wiederspiegelt(e). In den Augen der jungen Generation war das Spiessermusik. Dann schon lieber was amerikanisches oder englisches.

Somit wurde fuer die amerikanische und englische Musikindustrie ein neuer Markt geboren: Deutschland. Alles was in Amerika und England auf Platz 1 der Charts lief, wurde auch im deutschen Radio gespielt und landete somit in den deutschen Charts auf Platz 1. Amerikanische und englische Acts hatten immer Vorrang, die deutschen Acts das Nachsehen. Daran hat sich bis heute nichts geandert.

Der Grund dafuer liegt auch in der Tatsache, dass es in Deutschland keine Quotenregelung im Radio gibt, so wie z.B. in Frankreich. Die Quotenregelung legt fest, wieviel heimisches und wieviel auslaendisches Material gesendet wird. Koennte z.B. so aussehen, dass 50% nationale und 50% internationale Musik ueber den Aeter laufen. Das dient einfach zum Schutz der heimischen Musiker. Der deutsche Rock & Pop Musikerverband e.V. (DRMV) fordert das schon seit Jahren ... vergebens. Somit werden Leute wie Madonna zur besten Sendezeit rauf und runter gespielt, waerend unbekannte deutsche Interpreten in irgendeiner Sendung am Sonntag Morgen laufen. Diese werden mit grosser Warscheinlichkeit auch weiterhin unbekannt bleiben. Fuer jeden Scheiss gibt es in Deutschland eine Regelung. In diesem Fall, wo es wirklich Sinn machen wuerde gibt es keine. Der Staat laesst seine Musiker im Stich.

Und so fuehrt der herkoemmliche Musiker in Deutschland ein Schattendasein. Fuer viele ist die Vorstellung mit und von der Musik leben zu koennen, erfolgreich zu sein und damit vielleicht sogar noch bekannt zu werden einfach nur ein Traum. Wie kann sich denn ein Musiker in so einem Umfeld ueberhaupt entwickeln? Die Antwort ist einfach: garnicht! Ein Musiker braucht Perspektiven. Wenn diese nicht gegeben sind, macht das Ganze fuer ihn keinen Sinn. Fehlen jedoch die Musiker, so fehlt dem Land die Stimme und somit auch ein wichtiger Teil der eigenen Identitaet. Amerikaner identifizieren sich z.B. mit Bruce Sprinsteen. Viele Deutsche ebenso. Doch ist es nicht ein deutscher Bruce Springsteen, sondern ein amerikanischer, der vom Leben in Amerika singt und nicht vom Leben in Deutschland! Fuer uns Deutsche ist Bruce jedoch The Boss, obwohl wir im Grunde ueberhaupt keine Ahnung haben warum er das ist und wovon er singt!

Wir Deutsche sind staendig auf der Suche nach einer Ersatz-Identitaet weil wir keine eigene haben. Das zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Gesellschaft.

Deshalb hat Liam voellig Recht wenn er sagt:

Ich denke Deutschland ist derzeit für jedermann ein Alptraum ... kein Platz für Individualisten und Exzentiker. Alles "Mainstream" ... und man(n) muss "etwas gescheites gelernt haben" ... sonst wird man schief angesehen.

Mal ganz abgesehen davon, dass ich nix gescheites gelernt habe, habe ich folgendes gelernt:

Obwohl man dir sagt, dass es schon alles gibt, kein Mensch das braucht was du machst und es auch keinen interessiert ... mach es trotzdem!

13 Kommentare:

  1. Mal ganz abgesehen davon, dass ich nix gescheites gelernt habe, ...

    Alles ist relativ. Ich erinnere mich an eines meiner ersten Bewerbungsgespräche in Deutschland ... ich bekam den Job nicht, weil der Personalmensch mich für überqualifiziert hielt.

    In seinen Augen hatte ich nix gescheites gelernt, weil ich anscheinend zu viel Zeit in Bildung investiert habe.

    Die "Überqualifikation" ist übrigens auch etwas typisch deutsches ... wie kann man für eine Aufgabe "zu gut" sein ? "Zu schlecht" kann man nachvollziehen, da fehlt halt eine / mehrere Qualifikation(en) ... aber "zu gut" ?

    Würde ich einen Pub eröffnen und suchte ich einen Koch ... würde ich Jamie Oliver, Gordon Ramsey oder Anthony Bourdain ablehnen, sollten die sich bewerben, nur weil sie die "hotshots" der Gastroszene sind und plötzlich "mal was ganz anderes tun wollen" ? Wenn die für den Kurs arbeiten wollen, den ich bieten kann, warum nicht ?

    Obwohl man dir sagt, dass es schon alles gibt, kein Mensch das braucht was du machst und es auch keinen interessiert ... mach es trotzdem!

    Wenn man Dich lässt. Ich denke, dass es in Deutschland ein Volkssport ist, besonders für Funktionäre der unteren und untersten Ebenen, einem engagierten Menschen alle nur mögliche und auffindbare Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

    Ich ging mal zum Finanzamt, weil ich mich mit dem Gedanken trug mich selbständig zu machen. Ich hatte die Wahl zwischen "Gewerbetreibendem" und "Feiberufler" ... für Letzteren brauchte ich einen Stempel des Finanzamtes, der bescheinigt, dass ich nach §18 Einkommensteuergesetz tätig werden kann.

    Es würde jetzt zu weit führen diesen "Akt" zu schildern und zu erklären ... daher nur die Kurzform.

    Da ich über die nötige Ausbildung / Qualifikation verfüge, die Voraussetzung(en) erfülle - und keine Ausschlussgründe vorliegen (z.B. Steuerschuld / Steuerstraftat / usw.) - wäre die Vergabe des Stempels im Formular eigentlich nur eine Formsache ... aber was sagt mir der "Finanzbeamte" ...

    ... "Also, ich bin nicht geneigt Ihnen den Stempel zu geben."

    Ich erkläre ihm, dass er nach gängiger Rechtssprechung keinen stichhaltigen Grund für die Verweigerung hat, er erklärt mir, dass er keinen Grund braucht. Wenn er nicht will, dann will er nicht. Er hat schließlich einen "Ermessensspielraum" ... .

    Der Weg wäre nun ...

    Ich beantrage, er lehnt ab. Ich reiche Beschwerde ein, sein Vorgesetzter prüft ... und lehnt auch ab. Ich klage vor dem Verwaltungsgericht ... und verliere ... gehe in Revision vor dem Oberverwaltungsgericht ... und gewinne. Die Staatskasse zahlt die Zeche.

    Bis dahin bin ich aber nervlich am Ende und pleite ... werde als "Gewerbetreibender" oder lasse die Selbständigkeit sein.

    Woher ich das weiß ? Weil es in meiner Wahlheimatstadt tatsächlich so der Fall ist ... in dutzenden Fällen dokumentiert und nachlesbar.

    Ich habe es dann gelassen ... und der Amtsstubendiktator hatte seinen privaten Reichsparteitag ... l'état c'est moi ... der Staat bin ich.

    Ich tue etwas, nicht weil ich es muss, weil ich es kann.

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  2. Was glaubst Du warum ich Deutschland mit Freuden den Ruecken gekehrt habe? Als Strassenmusiker ist man dort jedem Strafzettelverteiler, jedem von der Buergerwache, jedem Ordnungshueter ... also jedem Depp ... hilflos ausgeliefert!

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  3. "Was tun ?" sprach Zeus ...

    Ich bin nun zu lange hier, zu sozialisiert und integriert, um dauerhaft weg gehen zu können. Ich denke, Dir geht es da ähnlich.

    Also, bleiben wir im Lande und nähren wir uns redlich ... für alles andere sind wir wohl bereits zu alt.

    Mich schamlos mit dem edlen Leonidas vergleichend ...

    Reisender, kommst Du nach Belfast, berichte Du habest Liam verdurstet liegen gesehen ... wie sein Schicksal es befahl.

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  4. Geht doch nach Ghana. Zusammen. Oder nach Siam.

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  5. Hey, Anonymiker, Siam heißt heute Thailand ...

    Aber Ghana ? Warum eigentlich nicht ? ;-)

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  6. Ich stelle mir gerade vor, wie Du und ich haendchenhaltend nach Ghana gehen ... :o))

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  7. Bist Du Rechts- oder Linkshänder ? Als treuer Diener Ihrer Majestät der Königin muss ich leider darauf bestehen auf der linken Straßenseite gehen zu dürfen. Es wäre also von Vorteil wenn Du Rechtshänder wärest.

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  8. Hi Nenad,lonesome Traveller, brother in mind.
    ich dachte, es geht Dir in Irland besser als in Deutschland, und ich hoffe, Du und Ella werden bald wieder fit sein. Sagmal, hast Du irgendwo in Deinem Blog etwas über Deine Texte, Deine Songs, deinen kreativen Prozess drin? Würde mich interessieren. Worüber schreibst Du? Wie fühlt sich das an, wo bist Du zu Hause,was gibt es für schöne Sachen da, hast Du Freunde?
    Bis dann

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  9. Hi Dieter,
    ich habe schon lange keinen Song mehr geschrieben. Wenn, dann passiert das nur noch sporadisch. Ich wuenschte es waere anders aber mir fehlt einfach die Zeit. Es ist nicht mehr so wie frueher, dass ich mich stundenlang hinsetzen koennte, um an einer Nummer zu feilen. In the course of living this day to day fehlt mir die Muse, die Vision. Kreativ bin ich nur noch im covern anderer Songs, die ich dann in den Pubs spiele.

    Was Freunde angeht: natuerlich haben wir welche. Jeder ist hier eingespannt und Zeit hat man nur am WE. Da muss ich jedoch meistens spielen. Von daher trifft man sich nicht so oft.

    Werde darueber ausfuehrlich in einem meiner naechsten Beitraege erzaehlen.

    Liam, Du alter Royal, ich bin Rechtshaender. Kann aber auch mit links, wenn's sein muss ...

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  10. Du hast nichts Gescheites gelernt...
    Was sollte das denn sein?
    Lehrer oder beamteter Eisenbahner wie Ruggers Alter?
    Darauf scheisst ihr doch.
    Genau das wolltest du nicht und musstest deinen eigenen Weg gehen, wie du glaubtest.
    Nun gehst du ihn, kommst an die fünfzig Lenze und fängst das Denken über das Leben an, wie du es vorher hättest planen sollen.
    Das ist billiger Blues.
    Du hast dein Ding gemacht, bist irgendwo blind gelandet und sitzt jetzt als Familienvater mit gemietetem Haus und SUV in Irland fest.
    Jetzt fällt dir ein und auf, dass das Gelbe vom Ei wieder mal in einem fernen Land mit altersgünstig warmem Klima und beruflichen Aussichten nicht vor Ort ist und schon gar nicht in GER.
    Na und?
    Ist doch nicht neu.
    Warum zum Teufel gehst du nicht in die gottverdammten USA, deren musikalischen Wurzeln du so gern isst und deren umwerfend aufrichtig und intelligenten Menschen dich sehnsüchtig erwarten?
    Don't pray for God, image him (or her or it)

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  11. Liam, Du alter Royal ...

    Boah ! Wenn ich ein Royal wäre, dann hätte ich keinerlei Sorgen mehr ... .

    Ich bin auch eigentlich mehr Roundhead als Royalist ... ein Parlament muss schon sein.

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  12. When you're wounded and left on Afghanistan's plains,
    And the women come out to cut up what remains,
    Jest roll to your rifle and blow out your brains
    An' go to your Gawd like a soldier.

    Go, go, go like a soldier,
    Go, go, go like a soldier,
    Go, go, go like a soldier,
    So-oldier of the Queen!


    (aus Kipling's THE YOUNG BRITISH SOLDIER)


    Warum - zur Hölle - sollte jemand freiwillig in die Kolonien wollen ? Gut, als Deportierter nach New South Wales ... da hat man(n) wohl kaum eine Wahl, aber freiwillig nach USA ?

    Die sprechen dort noch nicht mal Englisch !

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  13. Hi Nenad,
    In the course of "living this day to day"
    Toller Songtitel. In vielen Deiner Blogbeiträge sehe ich Songs. Wie wärs, wenn Du mal aus der Distanz versuchst mit etwas Humor auf Dich zu schauen und darüber kleine Zeilen zu schreiben? Woher kommen denn die Zeilen oben in Deinem Header? Sind die von Dir? Wäre gut. Hör dir mal die Texte von Stoppok an. Er ist ein klasse Beobachter,Storyteller,Sichselbstnichtsoernstnehmer.Ich kann viel von dem lernen.
    Gruss
    Dieter

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